Studiotechnik I - Mikrophone bei Aufnahmen

Wir möchten in loser Folge die verschiedenen Vorgänge bei dem Entstehen einer Schellackplatte beleuchten.
Zu dem Herstellungsprozess findet sich bereits in dem Artikel Wie eine Schellackplatte hergestellt wird einiges.


Elektrische Aufnahme - wie viele Mikrophone kamen zum Einsatz bei der Aufnahme einer Grammophonplatte?


Das elektrische Aufnahmeverfahren kam in den USA erstmals ab Frühjahr 1925, in Deutschland ab 1926 zur Verwendung. Es dominierten zunächst die Westrex Mikrophone der amerikanischen Firma Western Electric. Dieses Mikrophon wurde auch bei deutschen Firmen wie der Lindström genutzt.
Die frühen elektrischen Aufnahmen ab 1925 wurden wohl durchweg noch mit einem Mikrophon aufgenommen.

1925


Hier war es (ähnlich wie beim akustischen Aufnahmeverfahren mit Trichter) notwendig die Musiker in richtiger Entfernung zum Mikrophon zu platzieren um ein ausgewogenes Klangbild zu erzielen: leisere Instrumente wie z.B. Streicher waren dem Mikrophon näher - lautere wie Blechbläser weiter entfernt.
Mit dem Mikrophon war es erstmals möglich auch große Orchester in einer natürlichen Besetzung auf der Platte zu bannen.


Dol Dauber im Aufnahmestudio der Gramola 1928




Was die damaligen Tonmeister mit der doch recht einfachen Technik und nur einem Mikrofon schafften zollt noch heute Respekt ab. Nicht verwunderlich das manche Firmen noch weit bis in die dreißiger Jahre hinein bei einem Mikrophon blieben. Dieses Verfahren macht bei kleineren Besetzungen auch durchaus Sinn.


James Kok Tanzorchester im Grammophon-Aufnahmestudio, Berlin 1935


Ende der zwanziger Jahre wurde die Aufnahmetechnik weiter verfeinert. Rundfunk sowie der frühe Tonfilm arbeiteten bereits mit mehreren Mikrophonen sowie Mischtechnik. Dies beeinflusste auch die Studiotechnik bei den Plattenfirmen. Immer häufiger kamen zwei Mikrophone zum Einsatz.

Lindström Studio 1929 - Orchester Dajos Bela




Nun diente ein Mikrophon über dem Orchester zur Aufnahme des gesamten Klangbildes, ein weiteres für den Solisten. In einer Fachschrift war sogar davon die Rede das dieses Verfahren "oft verwendet" wurde:

Zeitungsausschnitt Mai 1929 (!)




Selbst bei kleineren Firmen wie der Tri-Ergon kamen schon 1931 mindestens drei Mikrophone bei einer Schallplattenaufnahme zur Verwendung:

Hier ein Bild einer Tri-Ergon-Aufnahmesitzung mit Franz Léhar aus dem Jahr 1931.
Im Bild sind drei Mikrophone zu sehen.
1. Streicher
2. Vokalist (Karl Jöcken)
3. Restliches Orchester
möglicherweise noch ein viertes außerhalb des linken Bildrandes.



Das Orchester des Metropoltheaters spielt grade "Schön ist die Welt"

Es war einmal ein Musikus


.


Bei dieser Aufnahme Ende 1932 spricht Paul O´Montis nochmal kurz "zwischen" dem Xylophon Solo.
Wenn die Stimme einsetzt, wird das Xylophon im Hintergrund leiser, also vom Aufnahmetechniker herunter geregelt während der Sänger in gleicher Lautstärke bleibt.
Also quasi ein "akustischer Beweis" für zwei Mikrofone im Studio und Mischtechnik.

Ab Mitte bis Ende der dreißiger setze sich die Technik mit mehreren Mikrophonen und Mischtechnik bei den großen Firmen als Quasi-Standard durch. In einer Firmenschrift der Deutschen Grammophon von 1938 ist von mehreren Mikrophonen bei der Aufnahme die Rede. Auch das gleichzeitig zwei Schneideapparaturen laufen um technische Fehler im Wachs zu minimieren.

Einen sehr guten Einblick in die Aufnahmetechnik einer Schallplatte in den dreißiger Jahren gibt die Telefunkenfibel vom Jahresanfang 1939. Die hier beschriebene und sehr ausgereifte Technik kam bei der Telefunken wohl schon länger zum Einsatz.

Telefunkenfibel
Die Geburt einer Schallplatte













Telefunken, 30er Jahre






Aus der TELEFUNKEN Schallplattenfibel, 1939 einige für uns unter dieser Thematik interessante Passagen:

...die nach den Erfordernissen der Aufnahme Umstellung und Umgruppierung der Instrumente und Mikrophone vornehmen... Jedes Instrument muß durch die Mikrophone richtig erfaßt werden...
Die Mikrophone verwandeln die vom Orchester erzeugten Schallwellen in elektrische Wellen.
...Hier sitzt zunächst der Tonmeister am Mischpult. Mit seinen exakten Steuer- und Verstärkergeräten sorgt er für gleichmäßige Aussteuerung.
...Hier gibt es zum Beispiel einen leuchtenden Pfeil, der im Rhythmus der Schwingungen über eine Skala zuckt.
...Der Sicherheit halber laufen gleichzeitig zwei Schneideapparaturen.


Was in der Telefunken Fibel 1939 schriftlich dokumentiert wurde, lässt sich mit einem Film vom März 1942 untermauern.

Rosita Serrano singt "Eine kleine Mondscheinfahrt" im März 1942 für die Telefunken ein. Die Aufnahme erschien auch auf dem Markt. Diese Aufnahmesitzung (Proben?) wurden filmisch festgehalten:



Hier sieht man nun 1942 im Film, was 1939 auf Papier (Telefunken Fibel) geschrieben wurde.








OK - nur ein Mikrophon für die Sängerin ist zu sehen, die gesamte Anordnung macht aber ein zweites Mikrophon für die Musiker klar. Im weiteren Verlauf wird dies auch untermauert.





Telefunken Fibel: ...Hier sitzt zunächst der Tonmeister am Mischpult. Mit seinen exakten Steuer- und Verstärkergeräten sorgt er für gleichmäßige Aussteuerung.

Man sieht kurz im Film wie der Tontechniker zwei Regler bedient. Er "mischt" das Verhältnis von Gesang zu Musik.
Fast noch interessanter: Vier Mischregler sind vorhanden! D.h. das Telefunkenstudio war auf max. vier Mikrophon Eingänge ausgelegt.


Die Aussteueranzeige



Telefunken Fibel:...Hier gibt es zum Beispiel einen leuchtenden Pfeil, der im Rhythmus der Schwingungen über eine Skala zuckt.





Telefunken Fibel:...Der Sicherheit halber laufen gleichzeitig zwei Schneideapparaturen.


Auch aus den USA gibt es Filmdokumente die diese Technik belegen.:


1937

.


Es zeigt Duke Ellington während einer Aufnahmesitzung 1937 für das Variety Label (Dies war eine kurzlebige Marke seines Managers Irving Mills. Es wurde im Auftrag bei der Brunswick produziert. Wir sehen hier also das Brunswick Studio).

Betrachtet man das Video aufmerksam, so sieht man hier mehrere Mikrofone.

Eines vor dem Bass



(Ist im Video besser zu erkennen)


Eines über dem Klavier




Eines für die Solisten




Vermutlich gab es noch ein weiteres Mikro in der Nähe oder über dem Orchester.
Es sind also mindestens 3, wenn nicht 4 Mikrofone für diese Aufnahme verwendet worden.

In den vierziger Jahren sieht es im Aufnahmestudio bereits so aus, wie wir es auch aus moderner Vermuten würden.

1945



1946




Abschließend lässt sich zusammenfassen:

- Es gibt Aussagen sowie zeitgenössisches Schriftmaterial die sowohl von einem, wie auch von zwei Mikrophonen mit Mischpulten sprechen
- Bilddokumente zeigen den Einsatz von mehreren Mikrophonen. Die frühesten datieren von 1928
- Filmdokumente belegen den Einsatz sowohl von einem, wie auch mehreren Mikrophonen
- Tondokumente ab den frühen dreißiger Jahren belegen ebenfalls mindestens zwei Mikrophone.
- Die Telefunken Fibel vom Januar 1939 beschreibt sehr detailliert die Mehr-Mikrofon-Technik, ein Film von 1942 zeigt exakt das schon Jahre zuvor beschriebene.



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