Humoresk Melodios
Der Sänger und Musikwissenschaftler Karsten Lehl schrieb 2007 in einem Programmheft der Gesangsgruppe ensemble six: „Mehr noch als die Jazz- und Swingbands der 20er und 30er Jahre sind die Vokalgruppen ein Aushängeschild für einen Jugendkultur in Deutschland, die sich bewusst von den Werten der Eltern distanzierte. Natürlich bedeutete der Jazz damals ebenso den Untergang des Abendlandes wie der Rock’n’Roll in den 50ern, Punk in den 70ern oder, etwas später, der Rap. Doch dass diese ‚Negermusik’ nun noch in der Form eines Gesangsquartetts daherkam, einer Form, die wie keine andere die Gemütlichkeit der Kaiserzeit verkörperte, das war nun doch zuviel. Auf den ersten Schallplatten der Revellers findet sich auch folgerichtig die Genrebezeichnung ‚Negerquartett’, obwohl die Herren allesamt hellhäutig und durchaus nicht mehr jugendlichen Alters waren. Schnell stellte sich der besondere Reiz des Genres für die Jugend heraus; schließlich gab es in nahezu jedem bürgerlichen Haushalt ein Klavier und dazu oftmals jemanden, der mehr oder weniger ordentlich darauf spielen konnte. Und singen konnte man ja auch zunächst einmal ohne die jahrelange gründliche Ausbildung, die ein Instrument zumeist erforderte. Und wenn das Klavier nicht zur Verfügung stand, dann nahm man eben die leicht verstaubte Wandervogel-Gitarre; oder man sang einfach so. So wie im Kielwasser der Beatles eine Flut von Rockbands aller Alters- und Qualitätsstufen über Deutschland rollte, so wurde in den 30er Jahren gesungen. Nahezu alle, vom klassisch ausgebildeten Berufsquartett über instrumentale Seiteneinsteiger bis hin zur Schülergruppe, waren dabei. Über lange Jahre waren die Comedian Harmonists Ziel und Maßgabe für die Freunde der Vokalmusik. Nicht zuletzt durch die geschickte Öffentlichkeitsarbeit Robert Bibertis und die rege Unterstützung der Plattenfirma wirkt es heute geradezu so, als seien sie die einzigen Vertreter ihres Faches gewesen. Und obgleich die Harmonists ihre herausragende Position behaupten konnten, kamen ihnen einige Gruppe doch recht nahe“. Die Humoresk Melodios gehörten in genau diese Kategorie – sie kamen den großen Vorbildern nahe, ohne bloße Epigonen zu bleiben, sie versuchten sich an einem etablierten Stil, ohne selbst zu Nachahmern zu verkommen, sie sangen in einer modernen Art, ohne Opfer ihrer Zeit zu werden. „Wo sonst hätten ein Halbjude und ein Mitglied der SS kollegial zusammenarbeiten können, wie es zeitweise bei den ‚Humoresk Melodios’ der Fall war?“
Als die Trennung der Fidelios Ende 1933 abzusehen war, machte sich der Manager Bernt Komm im Auftrag dreier Fidelios auf die Suche nach geeignetem Ersatz für ihre Kollegen. Fried Walter notierte dazu in seinem Tagebuch: „Ich erhielt von Bernt Komm eine Karte, er hätte meine Adresse durch den Musikernachweis. Er sucht einen Pianisten und Arrangeur für sein Männer-Quartett, benannt ‚Die Fidelios’. Ich ging gleich zu ihm hin und spielte vor. Er behielt sich aber eine Entscheidung vor, da das Quartett noch in Holland sei.” Die Phase, in der die neue Formation zusammenfand, war keine leichte, wie Fried Walter weiter erzählte und damit einen tiefen Einblick in die Arbeitsweise und den Stil des Ensembles gewährte: „Inzwischen war ich von den Fidelios begeistert als Pianist in ihren Kreis aufgenommen worden. Nun war ich wieder bei diesem Gebiet angelangt, Schlagerarrangements. Meine Erfahrungen durch die Comedian Harmonists u. die Frauenduette kamen mir zustatten. Auch machte es mir Freude, war ich doch vorläufig aus den schlimmsten Sorgen heraus. Mit Feuereifer machte ich mich an die Arbeit und arrangierte:
31.12. Es ist so süß, zum 1. Mal zu lieben
1.1. Bitte
1.1. Husarenmarsch
1.1. Dreamy Honolulu
2.1. O sole mio
2.1. Liebe, das ist die Sonne
Diese Arbeit hätte ich mir sparen können, denn sie entsprach nicht den Prinzipien der Sänger. Sie wollten wie die Comedian Harmonists alles im Tempo durchsingen und nichts verzögern, auch sollte möglichst viel 4stimmig gesungen werden und die Melodie nicht in kleine Teile durch abwechselnde Solis aufgeteilt werden. In der Folge mußte ich viel Demütigungen ertragen, denn die Sänger waren fast alle eben erst von der Schule herunter, also sehr jung, eine Ausbildung als Sänger hatten sie überhaupt nicht, die musikalische Ausbildung war sehr mangelhaft. Dafür hatten sie aber Sinn für Rhythmus und Humor. Auch mußte so arrangiert werden, daß die Nummern bühnenwirksam waren und da wurde dann stundenlang diskutiert, geprobt und herumgealbert. Zwar staunten sie über mein musikalisches Können und das Klavierspiel, doch behandelten sie mich keineswegs schonend. Kurz, meine arrangierten Lieder waren für sie nicht geeignet. Ich mußte jetzt erst mal ihr bisheriges Repertoire aus Stimmen, verschmierten Gesangspartituren etc. lernen, wie früher bei den Comedian Harmonists existierte keine Klavierstimme, die mußte ich mir selber machen, was mir ja nicht schwer fiel. Warum sie mich aber überhaupt geholt hatten, lag daran, daß sie sich mit ihrem früheren Pianisten, ein Herr Doege, überworfen hatten. Der 2. Tenor war auf Doeges Seite, ein Herr Leuschner. Man hatte also beschlossen, diese beiden abzuhängen, auch waren sie nicht gut genug. So kam man auf mich. Ich war gerade der richtige, konnte alles, was sie brauchten, und war noch jung. Ich empfahl ihnen, statt eines 2. Tenors eine richtigen Bariton zu suchen. Dieser wurde bald in Herbert Imlau gefunden“.
Die Humoresk Melodios in ihrer ersten Besetzung, von rechts oben im Uhrzeigersinn: Erich Bergau, Olaf Meitzner, Fried Walter, Werner Rössler und Herbert Imlau
Das neu formierte Ensemble bestand nun aus Olaf Meitzner (1. Tenor), Erich Bergau (2. Tenor), Imlau (Bariton), Werner Rössler (Bass) und Walter (Piano). Über das musikalische Talent des neuen Pianisten freuten sich die Kollegen zurecht, war Fried Walter doch Schüler von Arnold Schönberg gewesen und hatte noch dazu – wenn auch nur aushilfsweise – die Comedian Harmonists begleitet. Ihren ersten Auftritt gab die Gruppe wohl noch unter dem Namen Fidelios am 13. Januar 1934 in Stettin. „Inzwischen [haben] Werner Doege und Wolfgang Leuschner [ehemals Pianist, bzw. 2. Tenor der Fidelios] eine amtliche Verfügung erwirkt, wonach wir das alte Repertoire nicht bringen dürfen und die Nummer nicht Fidelios heißen darf. Auch sie haben sich andere Gefährten gesucht und gefunden. Schließlich kommt es zum Prozess, der zum Teil komisch verläuft. Der Richter sagt, hätten wir hier ein Klavier, würden wir ein Wettsingen veranstalten. Die [alten] Arrangements werden vom Gericht verteilt, z.B. Partei Komm erhält die blonde Kathrein, Partei Doege So meschugge usw. Schließlich wird bestimmt, daß beide Parteien den Namen ‚Die Fidelios’ nicht führen dürfen”, so Fried Walter in seinen persönlichen Aufzeichnungen.
Werbung der Deutschen Grammophon für die Humoresk Melodios - gemeinsam mit Platten des Vorgängerensembles!
Als Humoresk Melodios war die „Partei Komm” im Februar 1934 im Berliner „Wintergarten” zu erleben, doch die neuen Lieder kamen laut den Notizen des Pianisten bei der Direktion ebenso wenig an wie beim Publikum: „Als wir nun im Wintergarten Hauptprobe haben, ist der Direktor entsetzt, daß die Jungens nicht die alten lustigen Stücke singen, in denen er sie gehört hatte. Aber diese dürfen [wir] vorläufig noch nicht bringen, das Gericht hat die letzte Entscheidung noch nicht ausgesprochen. Die Premiere wird denn auch ein Durchfall. Auch standen die sonst so beweglichen Jungens auf der Bühne wie die Weihnachtsmänner. – Der Direktor lehnt das Programm ‚Wir ziehen durch die Heimat’, ‚Allein kann man nicht glücklich sein’ und ‚Uns geht’s immer fabelhaft’ ab, wir singen trotz gerichtlicher Verfügung das alte Repertoire. Der Start aber ist verdorben, bekommen einen schlechten Platz im Programm (No. 3) und es wird keine reine Freude.“ Trotz der unbefriedigenden Leistung wurde der Auftritt der Humoresk Melodios auf der Hinterbühne des „Wintergartens” für eine Rundfunkreportage aufgezeichnet – der Erfolg stellte sich langsam, aber umso beeindruckender ein.
Bereits im März absolvierte das Ensemble seinen ersten Filmauftritt in „Freut euch des Lebens”. In dem noch heute erhaltenen Streifen mit Dorit Kreisler, Wolfgang Liebeneiner, Ida Wüst und Leo Slezak singen sie „Ein wenig Leichtsinn kann nicht schaden” und sind in einer kurzen Szene in Nahaufnahmen als Jodler zu sehen. Nach einem Engagement bei der holländischen Rundfunkgesellschaft AVRO in Hilversum, standen die Humoresk Melodios Ostern 1934 in Dresden auf der Bühne. In Halle folgte ein für Herbert Imlau äußerst peinlicher Auftritt, da seine Eltern, die ihm sein klassisches Gesangsstudium mitfinanziert hatten, von seinem Konzert mit der auf U-Musik getrimmten Vokalgruppe alles andere als angetan waren. Nach zwei Rundfunkauftritten im Mai 1934 schied Herbert Imlau infolge eines Streits mit Olaf Meitzner aus der Gruppe aus. „Er jammerte immer, dass er als studierter Bariton doch nicht solche Unterhaltungsmusik machen könne, da hab’ ich ihm gesagt: Wenn’s dir nicht passt, dann geh doch!”, so Meitzner rückblickend. Die Suche nach einem adäquaten Ersatz erwies sich als ausgesprochen schwierig, wie Fried Walter niederschrieb: „Olaf wollte jetzt Bariton singen (das Falsett-Tenor-Singen hielt er auf die Dauer nicht durch) und wir mußten einen hohen Tenor suchen. Dieser wurde in Alfred Thomas gefunden. Olaf war begeistert, hat der doch eine enorme Höhe. Nun ging alles wieder von vorne los. Thomas mußte eingelernt werden. Alle Stücke wurden bis zum Erbrechen täglich viele Stunden probiert. Thomas konnte keine Note lesen und war denkbar unmusikalisch. Wenn er z.B. mit der Note c eine Phrase beendet hatte, war es ihm nach einigen Zwischentakten oder auch ohne Zwischentake unmöglich, mit der Note c wieder anzufangen. Ich mußte darauf z.T. die Arrangements ändern, rhythmische Begleitfiguren konnte man von ihm nur ausnahmsweise verlangen. Es war eine Sau-Arbeit. Aber zum 1. Juli musste das Programm stehen, Komm hatte eine Ostseebäder-Tournee arrangiert, wo wir zusammen mit Heddy Peter und Valerian Schumakoff eigene Abende geben sollten.”
Eine Werbepostkarte mit neuem 1. Tenor – v.l.n.r.: Alfred Thomas, Walter, Bergau, Rössler und Meitzner
Die pessimistischen Einschätzungen Walters im Bezug auf den neuen Mann im Ensemble überraschen – auf Plattenaufnahmen ist von technischen Schwierigkeiten nichts zu hören, im Gegenteil: Alfred Thomas beweist sich als einer der wenigen exzellenten deutschen Countertenöre dieser Zeit. Womöglich hatte er einen geduldigen und hilfreichen Lehrer in Walter gefunden, der im übrigen die gesamte Gruppe abschätzig beurteilte: „Das ganze Quartett gehört eigentlich als musikalisches Curiosum in ein Museum. Da jeder nur 5 einigermaßen klingende Töne hat und das übrige mit ‚Umschalten’ gemacht werden muß, kommt die ulkigste Satzweise zustande. Ich habe z.B. einen Satz, da sind die Stimmen folgendermaßen verteilt:
- Erich (Tenor) Mittellage Melodie
- Olaf (Bariton) darüber ‚Effekte’
- Kiesi [Spitzname von Werner Rössler] (Baß) unter Erich ‚Effekte’
- Alfred (1.Tenor) unter Kiesi Nebenstimme.
So muß ich balancieren. Doch klingt es oft sogar hübsch (siehe Platten).
Der Bühnenerfolg beruht auf der jugendfrischen Beweglichkeit, auf Humor, auf Rhythmus etc. Das Proben ist aber eine Qual, sie wollen alles besser wissen, es wird herumexperimentiert, wieder verworfen u.s.w. und es dauert oft 1 Stunde, ehe wir 8 Takte können!“ Was Fried Walter aus der Sicht des ernsten Musikers als Qual empfindet, war vermutlich entscheidend für die Qualität des Ensembles, dessen Aufnahmen heute zu den besten dieses Genres zählen: Der kreative Schwung fünf gleichberechtigter Mitglieder, das überpenible Training kleinster Phrasen, die intensive Auseinandersetzung mit der Bühnenwirksamkeit kamen einem Perfektionismus gleich, wie ihn kaum eine andere Vokalgruppe jener Zeit erreicht haben dürfte. Dass die Sänger – wie Walter eindringlich erklärt – stimmliche Schwächen hatten, ist auf den erhaltenen Einspielungen auch deshalb nicht wahrzunehmen, weil sie in ihrem Arrangeur einen intelligenten Musikstrategen gefunden hatten, der ihnen die jeweiligen Sätze geradezu auf den Leib schneiderte.
Zu den musikalischen Aspekten kam zweifellos eine enorme Bühnenwirksamkeit, die in unzähligen Kritiken von der Reichshauptstadt bis in die Provinz dokumentiert wurde: „Und nun wäre etwas über die Nummer zu sagen, die allein schon den Besuch dieses Programms rechtfertigt. Deutschlands bestes Kunstgesang-Ensemble – so steht’s gedruckt im Programm: Die fünf Humoresk Melodios sind junge Burschen. Wie sie aussehen, so singen und spielen sie auch: unbelastet von Problemen, ohne den Ehrgeiz, für hervorragende Künstler gehalten zu werden. Doch sie sind welche, auch wenn sie in einem andern Stockwerk des großen Hauses der Gesangskunst wohnen als jene, die den eleganten Zeitschriften Interviews gewähren. Sie stellen sich in eine Reihe und singen sich eins. Und dann sind sie froh und machen beim Singen ein bißchen Unfug. Und dann freuen sie sich über beides, den Gesang und den Unfug. Da möchte man gleich mitmachen aus lauter Freude an diesen schönen Spielereien. Immer und immer wieder werden sie von begeistert klatschenden Zuhörern hervorgeholt und stürmisch gebeten, noch ein wenig oben zu bleiben. Und sie wüßten nicht, was sie lieber täten. Fabelhafte Jungen!“ Allein die Aufführung von „Auf einem persischen Markt“, das Fried Walter nach dem Einstieg des neuen Tenor für die Gruppe setzte und das für diese zu einer Art Erkennungsmelodie werden sollte, wurde allerorts begeistert aufgenommen und in einer ganzen Reihe von Fotografien festgehalten. Es ist vielleicht gar nicht überraschend, dass von diesem langjährigen Erfolgsstück keine Platteneinspielung gemacht wurde: Die Wirksamkeit des Titels dürfte weniger auf herausragender musikalischer Güte als auf mimischer und gestischer Interpretation beruht haben – und die ließ sich auf Schellack nun einmal schwer festhalten.
In den Sommermonaten 1934 trat die Gruppe wie geplant auf – unter anderem in Rewahl, Ahlbeck, Heringsdorf und Danzig. In Binz trafen die Sänger am 26. Juli mit ihren ehemaligen Fidelios-Kollegen zusammen, die ihnen nun als „Melodisten” Konkurrenz machten. Die durch den Tod des Reichspräsidenten Hindenburg und die damit verbundene Volkstrauer unterbrochene Ostseebäder-Tournee endete am 23. August in Swinemünde. Anfang September standen die Humoresk Melodios für den Kurztonfilm „Die rosarote Brille” vor der Kamera. Von diesem Erlebnis berichtete Fried Walter begeistert: „Montag, 5 Uhr aufstehen, ½ 8 in Babelsberg. Ufa. Als wir im Atelier unser Arrangement ‚Einmal durch das Leben’ von Werner Bochmann vorsangen, kam gleich alles zum Flügel geströmt, so war man begeistert. Es wird das ganze Arrangement aufgenommen, sogar zweimal, im Vorspann und in der Szene als Ständchen. Die Jungens werden als ‚Mieter des Hauses’ auf alt und komisch zurechtgemacht. Zusammen mit einem Gitarristen begleite ich das Ständchen. Alles klappt großartig. Erich und Alfred haben noch eine Drehtag im Außengelände, wo sie aus dem Hausfenster herausschreien müssen.”
Von den Dreharbeiten zu diesem Film, von dem heute meines Wissen nicht mehr als ein Foto erhalten ist, berichtete Bernt Komm in der Folgezeit mehrfach in Programmheften. Inwieweit der Text des Managers der Humoresk Melodios der Realität entsprach oder als Marketingstrategie dazu diente, das Image der „neugierigen Jungens” zu pflegen, mag der Leser selbst entscheiden: „Ufa-Atelier. Neu-Babelsberg. Morgens 9 Uhr. Fünf Jungens in hellen Anzügen, die Blondköpfe keck in den Nacken geworfen, die strahlenden Blauaugen erwartungsvoll nach allen Seiten blitzend, so stehen sie im Atelier, die Zauberwelt des Films erwartend, die sich ihnen hier offenbaren soll. Hans Deppe begrüßt die Jungens liebenswürdig und schickt sie zur Garderobe, um sie für die Aufnahme zurechtmachen zu lassen. Ein tolles Gelächter begrüßt bei ihrer Rückkehr ins Atelier die fünf Jungens. Das Drehbuch hat es vorgeschrieben, aus ihnen ehrsame, graumelierte biedere Bürger in schwarzen Bratenröcken zu machen. Perücke, Spitzbart, Kneifer, Brille und sonstige Utensilien erzielten ein so komisches Aussehen, daß, als sie im Gegensatz zu ihrem Äußeren in ihrer modernen Art nun zu singen begannen:
Wie im Traume schweben – –’
sie damit eine so originelle Wirkung erzielten, daß alle, bis zum letzten Bühnenarbeiter, für einen Moment ihre Pflicht vergaßen und belustigt zuhörten. Hans Deppe, der Regisseur, kommandierte in seiner netten Art ‚alle wieder auf ihre Plätze’, und die ernste Arbeit begann, Szene um Szene entstand. Für die Jungens war eine kurze Drehpause angesetzt. Naseweis und wißbegierig, wie Jungens nun einmal sind, pilgerten sie von Atelier zu Atelier. Willy Fritsch, Paul Kemp und Käthe von Nagy drehen Turandot und, o Schreck, wer erscheint plötzlich in der Szenerie? Unsere ehrsamen Bürger – und stellten somit eine heillos Verwirrung an. Erschreckt flüchteten sie und liefen Ida Wüst in die Arme, die gerade eine Szene aus ‚Liebe und die erste Eisenbahn’ drehte. Auch dort wieder ein Durcheinander, jedoch Ida Wüst in ihre charmanten Art beherrschte die Situation vollkommen und begrüßte die Jungens als ‚alte Bekannte’ aufs herzlichste. Sie anerkannte den Wissensdrang der Jungens und führte sie zu Viktor de Kowa und Jessie Vihrog, die mit den Aufnahmen zu ‚Lockvögel’ beschäftigt waren. Anschließend hatten sie noch Gelegenheit, Theo Lingen in einer seiner lustigen Szenen beobachten zu können. Theo Lingen, der in einer Gartenszene einen seiner Partner mit einer Wasserspritze in Schach zu halten hatte, sah die fünf neugierigen komischen Gestalten, und ehe sie wußten, wie ihnen geschah, waren sie von ihm getauft. In diesem Moment wurden sie von ihrem Hilfsregisseur, der sie schon überall gesucht hatte, entdeckt und zurück gings ins Atelier zur nächsten Aufnahme. Abends fuhren sie mit ihrem Wagen wieder zurück nach Berlin und leise summten sie vor sich hin:
‚Einmal nur im Leben –
Wie im Traume schweben – –’“
Mit dieser Imagekampagne entstanden im September 1934 auch die blauweißen Anzüge der Humoresk Melodios, die sie zum Markenzeichen wählten, um sich auch optisch von der Konkurrenz – insbesondere den Melodisten – abzusetzen. Den ersten Auftritt in seiner neuen Bühnenkleidung absolvierte das Ensemble bei einem Engagement im „Regina-Cabaret” in Dresden in der ersten Oktoberhälfte, wo es auch zu einem blamablen Auftritt für den übereifrigen Fried Walter kam, wie er selbst berichtete: „Eines Abends irre ich mich vor unserem Auftritt im Tusch der Kapelle. Im Glauben, es sei unser Tusch, trete ich auf. Da ich immer als ‚Erster’ rausgehe, merke ich aber nicht, daß die anderen nicht hinterherkommen, stehe allein auf dem Parkett, verbeuge mich und gehe auf der anderen Seite wieder ab. Großes Gelächter! – (Es war der ‚Applaus-Tusch’ für den Conférencier gewesen.)” Nach Gastspielen in Freiberg und Dresden waren die Humoresk Melodios im November 1934 in den „Schneider-Duncker-Künstlerspielen” im Uhland-Eck am Berliner Kurfürstendamm engagiert. Nebenbei wirkten sie auch bei verschiedenen Rundfunksendungen mit, so zum Beispiel zusammen mit Erna Sack, Walter Ludwig, Grethe Weiser und dem Orchester Hans Bund bei einer Matinee im „Wintergarten”. Im Dezember 1934 folgten Gastspiele in Apolda, Weimar, Zeitz, Zwickau und Erfurt.
„Soviel Theater hat man um uns noch nirgends gemacht“. Die Humoresk Melodios singen beim Besuch einer Zeitungsredaktion „Auf einem Persischen Markt“
In den ersten Tagen des Jahres 1935 wurde ein Engagement der Humoresk Melodios in Werdau zu einem so großen Erfolg, dass es Fried Walter eine besondere (und tiefschürfende) Erwähnung wert war: „Unser Auftreten bedeutete für Werdau eine Sensation. Alle Vorstellungen waren derartig voll, daß man sogar unsere Stühle aus der Garderobe wegholen mußte, ja sogar am Gang standen die Leute, Sanitäter und Polizei waren zur Stelle. Seit drei Jahren wäre das Haus nicht so voll gewesen. Die Direktion lud uns privat ein und zeigte sich denkbar erkenntlich. Wir spielen mit den Töchtern der Direktoren Tisch-Tennis und andere Spiele. Es gab Spaziergänge in die Umgebung. Ein Interview fand statt usw. Soviel Theater hat man um uns noch nirgends gemacht.”
Die Aufzeichnungen Walters bieten in diesem Zusammenhang die einmalige Chance, auch die finanziellen Einkünfte eines Gesangsensembles zu präsentieren, das man im heutigen Sprachgebrauch – trotz der musikalischen Vorzüge – wohl bestenfalls zu den B-Promis zählen würde. Für den Januar 1935 listet der Pianist auf:
1. - 6. | Werdau, Sachsen | Kino | 100.- |
7. - 10. | Zwickau | " | 68.- |
11. - 14. | Weißenfels | " | 60.- |
15. - 17. | Jena | " | 48.- |
18. - 24. | Gera | " | 64.- |
26. | Weimar, Funkabend | " | 60.- |
27. - 31. | Leipzig, Kino am Zoo | " | 85.- |
585.- |
Ganz zufrieden scheint Walter angesichts der Schlussbemerkung mit den Einnahmen also nicht gewesen zu sein (zumal er sich in der Summe auch noch um 100 Mark verrechnet).
Neben Schallplattenaufnahmen fanden in den nächsten Monaten weitere Auftritte in ganz Deutschland statt – in Leipzig und Weimar, in München und Chemnitz, in Düsseldorf und Köln. Am 1. Juni 1935 starteten die Humoresk Melodios von Frankfurt am Main aus eine Tournee per Bus, die von der nationalsozialistischen Freizeitorganisation „Kraft durch Freude” organisiert wurde. Im Rahmen der Tournee trat das Ensemble in Limburg an der Lahn, Elz, Offenbach, Gelnhausen, Gießen, Wetzlar, Darmstadt, Egelsbach und schließlich in Oberursel auf, wo Werner Rössler am 11. Juni ein folgenschweres Malheur passierte, das im folgenden Wortlaut ebenfalls den Notizen Walters entnommen ist: „Wir waren sehr früh angekommen und nutzten die Zeit vor der Vorstellung zum Proben aus. Inzwischen wurde es aber etwas dunkel und wir konnten die Noten schlecht erkennen. Wir entschlossen uns, das Klavier ans Fenster zu schieben. Dabei ging Kiesi aber so wild vor, daß das Klavier umkippte und ihm direkt aufs Bein fiel. Katastrophe. Wir wollen nicht auftreten. Doch schließlich sagt Kiesi, im Sitzen würde es gehen. Also wurde er auf einem Lehnstuhl auf die Bühne gesetzt und die anderen gruppierten sich darum, stehend wie auf einem Konfirmanden-Foto.” Olaf Meitzner erzählte dazu: „Fried Walter, der uns nun aus dem Orchestergraben begleiten musste, da das andere Klavier nicht mehr zu gebrauchen war, hat Tränen gelacht, vor allem bei Werners Solo von ‚Ich bin ein armer kleiner Musikant’, das er mit schmerzverzerrtem Gesicht sang.” Werner Rössler „musste in ein Krankenhaus in Frankfurt. Aber nicht genug. Kaum hatten wir uns entschlossen, als Gesangstrio weiterzumachen, und schon geprobt, erkrankt plötzlich Olaf (Nierengeschichte, das Wasser war schon in den Beinen). Wir absolvierten zur Not die Vorstellung und Olaf fuhr von Bernt begleitet mit dem Nachtzug nach Berlin. Nun blieben von dem Quartett 2 Sänger übrig und ich. Was nun? Wir mussten nach Hause fahren”, so Fried Walter am 12. Juni nach einem Auftritt in Mainz.
Die finanzielle Durstrecke der nächsten Monate konnte Fried Walter nicht mitmachen. Der Pianist verließ das Ensemble allerdings nicht nur aus finanziellen Gründen: Er wollte endlich seine ganze Energie der ernsten Musik und seinen Entwürfen für eine Oper widmen. Für die nächsten Jahre fehlen damit auch die ausführlichen Tagebuchaufzeichnungen, was die Rekonstruktion der Gruppenhistorie in dieser Zeit deutlich erschwert. Als im Herbst 1935 die Genesung von Werner Rössler und Olaf Meitzner soweit vorangeschritten war, dass man wieder proben konnte, stieß als Pianist und Arrangeur Siegfried Schulz zur Gruppe. Noch im Oktober 1935 entstanden erste Schallplatten mit dem neuen Begleiter, der erste belegbare Auftritt in der neuen Besetzung fand in der zweiten Februar-Hälfte 1936 in Stuttgart statt. Es folgten unter anderem Vorstellungen in Hamburg, Breslau, Hannover, Nürnberg, Dresden und Krefeld.
Siegfried Schulz, der neue Mann am Klavier
Eine der witzigsten Aufnahmen aus dieser Phase (neben tollen Einspielung von "Die Welt ist schön, Herr Kapitän" und "Ich wollt', ich wär' ein Huhn") blieb unveröffentlicht und nur durch Zufall erhalten. Die einzige Testpressung der Platte zerbrach bereits in den 1970er Jahren, Olaf Meitzner hatte vorher zum Glück einen Bandumschnitt angefertigt, der uns diese auf der Bühne sicher eindrucksvolle Glanznummer vom März 1936 bewahrt hat.
Von einem Konzert in Auerbach – wahrscheinlich Anfang 1937 – stammt eine der wenigen Kritiken, in der der „undeutsche” Name des Vokalensembles, noch dazu fehlerhaft wiedergegeben, bemängelt wurde: „Da erscheinen im Laufschritt fünf nett angezogene und wie aus dem Ei gepellt aussehende frische Jungen im Lichtspieltheater, der Scheinwerfer flammt auf, und schon sind wir in ihrem Banne. Wir vergleichen sie nicht mit einem Quartett aus irgendeinem Gesangverein oder einem noch so berühmten Soloquartett. Das geht einfach nicht; denn ihr Gesang, ihr Vortrag und schließlich auch ihr künstlerisches Wollen ist etwas ganz Anderes. Oder kann man es sich vorstellen: im feierlichen dunklen Rock oder Smoking vier Sänger, gut geschult. stimmbegabt – und Schlager singen und vortragen, Tondichtungen parodieren usw. –? Das ist nicht denkbar! Und deshalb nimmt einen schon das Äußere der reschen, rankgewachsenen Jungen gefangen. Schon der erste Schlager ‚von dem armen Musikanten’ ist ein Erfolg, der freilich – trotz des abwechslungsvollen Vortrags – mit dem zweiten, dem abgedroschenen ‚Regentropfen’-Singsang abgeschwächt wird. Zwar fehlt der Beifall nicht, aber er ist bedeutend kräftiger und herzlicher bei dem Lehar-Potpourri ‚Schön ist die Welt’, das einmal beliebte Melodien aus Lehars Schaffen bringt und zum anderen alle vier Sänger als Solisten zeigt. Lustig und fidel ist dann der ‚Rumtata’, bei dem die Sänger mit meisterlichem Geschick den Schlager bis in seine kleinsten Finessen ausschöpfen. Jubelnder, nicht endenwollender Beifall holt die schon abziehenden wieder hinauf auf das Podium. Als Zugabe folgt schließlich die köstliche Parodie des Ketelby’schen Schmachtstückes ‚Auf einem persischen Markt’. Ein Humor mit drolliger Komik gepaart zeigt sich hier, wie wir ihn selten sahen. Und das volle Haus dankte mit stürmischer Heiterkeit und reichstem Beifall für die leider zu wenigen Gaben, die ihnen die Melodios Humoresks – warum gibt es dafür keinen guten deutschen Namen, bei soviel echtem deutschen Humor?! – bei ihrem diesmaligen, so freudig begrüßten Besuch in Auerbach schenkten.”
Ähnlich furios, witzig und beeindruckend ist auch die tolle Aufnahme von "Und so weiter", die die Version des Meister-Sextetts geradezu lahm erscheinen lässt. Warum diese Einspielung vom Februar 1937 die letzte der Humoresk Melodios in der klavierbegleiteten Quartettbesetzung für Grammophon war, lässt sich heute nicht mehr sagen.
„Schöne Isabella von Kastilien“ mit Siegfried Schulz am Flügel im Kristall-Palast Leipzig, November 1936
Nachdem die Melodios zwischenzeitlich schon als Refrainquartett für das Adalbert-Lutter-Orchester auf Telefunken zu hören waren, fanden die allerletzten Einspielungen für ihren bisherigen Stammverlag im April 1937 statt. Und diese waren für die Sänger wohl wieder eine Ehrensache - mit von der Partie war nämlich auf Betreiben der Grammophon Mimi Thoma. Die beiden ungewöhnlichen Titel und Arrangements, die in dieser Sitzung aufgenommen wurden, sind in jedem Fall spannend! Dennoch: Das Interesse an der Gruppe scheint von Seiten der Deutschen Grammophon deutlich abgeflaut zu sein, auf der Bühne war das Ensemble nach wie vor gefragt.
Nach einem Gastspiel in Königsberg am 10. April 1937 folgte aus bisher ungeklärten Gründen ein mehrmonatige Pause, während der sich die Mitglieder durch verschiedenste Engagements finanziell über Wasser hielten. So wirkte Olaf Meitzner als Schauspieler oder Sprecher an Filmen mit, während Erich Bergau Gastauftritte in verschiedenen Revuen gab. Als die Humoresk Melodios ab 2. November 1937 im Rahmen der Revue „Sonnenschein für alle” im „Apollo-Theater” in Nürnberg zu sehen waren, stand neben Siegfried Schulz nur noch ein Gesangstrio bestehend aus Erich Bergau, Werner Rössler und Hans Nowak auf der Bühne. Nowak, der wohl bereits Anfang der 1930er Jahre als Mitglied und Leiter der Melody Gents Vokalgruppenerfahrung gesammelt hatte, durfte aufgrund einer Sondergenehmigung im Gegensatz zu vielen anderen so genannten „halbjüdischen” Kollegen auch im nationalsozialistischen Staat künstlerisch aktiv sein. Eine Erklärung dafür, dass nun Hans Nowak anstelle von Olaf Meitzner und Alfred Thomas auftrat, liefert ein Programmheft zu der Revue „Sonnenschein für alle”, in dem sich jeder Künstler mit einem selbstverfassten Artikel vorstellte. Erich Bergau schrieb dafür über sich und Werner Rössler: „Wir zwei sind eigentlich drei – d.h. mit Siegfried Schulz, unserm Dirigenten – die letzten drei der Humoresk Melodios. Die beiden anderen Säulen geben als Angehörige der schweren Artillerie jetzt ganz andere Töne von sich.”
Die Humoresk Melodios nur noch zu dritt in der Revue „Sonnenschein für alle“ – v.r.n.l.: Erich Bergau, Hans Nowak und Werner Rössler mit Senta Liberty
Ob diese Angaben der Realität entsprachen, konnte bisher weder bewiesen noch widerlegt werden. In den folgenden Monaten traten die Humoresk Melodios in jedem Fall ausschließlich in der Revue „Sonnenschein für alle” auf, die Ende 1937 in Frankfurt am Main und in Dresden zu sehen war. Ab Januar 1938 folgten weitere Vorstellungen unter anderem in Stettin, Chemnitz, Hamburg und Magdeburg wieder mit Alfred Thomas und schließlich ab November 1938 wieder mit Fried Walter. Von da an war die Gruppe erneut auch außerhalb von „Sonnenschein für alle” zu hören, so zum Beispiel in Rundfunk- und Fernsehauftritten. Olaf Meitzner musste in dieser Zeit wohl eine schwere Krankheit auskurieren – mit dieser Begründung verweigerte er in einem raffinierten Schreiben vom 17. November 1938 eine Spende an das Winterhilfswerk.
Während eines dreimonatigen Gastspiels der Revue im Berliner „Admiralspalast” erreicht die Verwirrung um die Umbesetzungen der Humoresk Melodios ihren Höhepunkt: Bei der im Januar 1939 entstandenen Schallplattenaufnahme sind die Stimmen von Werner Rössler, Hans Nowak, Erich Bergau und Alfred Thomas zu hören, bei der einen Monat später gemachten Aufnahme von „Sonnenschein für alle” fehlt Rössler, es ist nur ein Terzett zu identifizieren. Auf einem Foto, das während des Engagements im „Admiralspalast” Anfang 1939 entstand, ist Nowak anstelle von Olaf Meitzner zu sehen. Erst nach diesem letzten Auftritt mit „Sonnenschein für alle” wird die Zusammensetzung der Gruppe wieder begründbar. Da Werner Rössler sich freiwillig zum Wehrdienst gemeldet hatte, traten als Humoresk Melodios in den nächsten Monaten Alfred Thomas (1. Tenor), Erich Bergau (2. Tenor), Olaf Meitzner (Bariton), Hans Nowak (Bass) und Fried Walter (Piano) auf.
Im Admiralspalast Anfang 1939, v.l.n.r.: Fried Walter, Alfred Thomas, Erich Bergau, Hans Nowak und Werner Rössler
Über die Konzerte der Jahre 1939 bis 1941 sind nur sehr spärliche Berichte erhalten geblieben. Hervorzuheben sind Engagements im „Ufa-Palast” in Hamburg (Juli 1939), im „Apollo-Varieté” in Düsseldorf (September 1939), im „Flora-Theater” in Hamburg (Ende 1939), in „Bremers Konzerthaus” in Magdeburg (Januar 1940) und schließlich im Februar 1940 in der Berliner „Scala”. Dort waren die Humoresk Melodios neben Hellmuth Krüger, Peter Kreuder, Gloria Astor, Erik Helgar und Otto Stenzels Scala-Orchester zu sehen – hochgelobt übrigens, wie in den erhaltenen Kritiken nachzulesen ist:
„Die Humoresk Melodios, vier Sänger und ein Flügelmann, wissen ihre gut arrangierten Liedvorträge famos zu pointieren“.
„Vier smarte, junge Männer, die Humoresk Melodios, singen, vom Fünften begleitet, wohllautende Lieder und entfesseln zum Schluß ein Kaffeekränzchen-Stimmungsbild mit obligatem Zerwürfnis.“
Das Programm ist „wieder ‚goldrichtig’ und bietet den begeisterten Zuschauern eben das, was sie im modernen Weltstadt-Varieté suchen! Man erspare uns ein Urteil, ob Peter Piet, der wie einst Otto Reutter das meiste mit den (weit aufgerissenen) Augen macht, komischer war als das ulkige ‚Kaffeekränzchen’ der wirklich melodiös singenden ‚Humoresk Melodios’.“
Für Hans Nowak war die Luft in Deutschland inzwischen so dünn geworden, dass er ab März 1940 nicht mehr auftreten konnte oder wollte. Auch Alfred Thomas bekam Schwierigkeiten mit der Reichsmusikkammer, auch wenn er seine Homosexualität nie öffentlich bekannt gegeben hatte. Entsprechende Gerüchte entkräftete er durch eine Scheinehe mit seiner Sandkastenfreundin Anita Amlang. Um einem Verbot oder einer Zerschlagung der Gruppe zu entgehen, beschloss das Ensemble, das nun ohne Nowak als Gesangstrio mit Klavierbegleitung auftrat, sich freiwillig zur Truppenbetreuung zu melden und die Bezeichnung humoresk aus seinem Namen zu streichen. In den folgenden Jahren sind alle Auftritte der Melodios vom Krieg geprägt, so sangen sie auf Veranstaltungen der K.d.F. vor Rüstungsarbeitern, vor Soldaten in verschiedenen „Westwalllagern” oder beim Roten Kreuz.
Auf dem retuschierten Foto sind nach dem Abschied von Hans Nowak und Werner Rössler nur noch vier Humoresk Melodios zu sehen – Nowak ist dennoch auf dem Bild, neben ihm (v.r.n.l.) Olaf Meitzner, Erich Bergau und Fried Walter.
Fried Walter, der sich inzwischen als Opernkomponist einen Namen gemacht hat, ist hin und wieder mit von der Partie, wenn auch „mehr den Jungens zu Liebe“, wie er 1942 in seinem Tagebuch notiert: „Ich beteilige mich wieder mit den ‚Melodios’ an verschiedenen Veranstaltungen, immer mit der Angst, man könnte aufmerksam darauf werden, daß der ungenannte Pianist der Komponist Fried Walter ist. Da ich 7 Jahre im Cabaret und Varieté mein Geld verdienen mußte, finde ich nichts dabei, aber die Welt, die das erfährt, kann es dem Komponisten doch sehr verübeln und nachteilig auslegen. Aber wie gesagt, ich tue es den Jungens zu Gefallen, denn trotz alledem, ist diese Begleitung ein Kunststück für sich. Proben brauchen wir nicht, die Stücke sitzen von früher her wie im Schlaf. Außerdem waren die Einnahmen gar nicht zu verachten; die Gagen sind während des Krieges enorm in die Höhe gegangen“. Walter rechnet vor, dass er durch die Melodios-Auftritte zwischen Januar und Mai 1942 „nebenbei“ fast 1.500 Reichsmark verdient hat. Es folgen vereinzelt weitere Vorstellungen, etwa bei einer Rundfunksendung mit Heinz Goedecke und Barnabas von Geczy in einem Berliner Lazarett. Einige wenige Auftritte und Plattenaufnahmen für Tempo konnten noch absolviert werden, ehe das Vokalensemble kriegsbedingt seine Auftritte einstellen musste. Zum letzten Mal traten die Humoresk Melodios am 5. Juni 1943 in Nürnberg auf.
Der Text basiert auf meinem Artikel, der im Winter 2006 im Magazin „Fox auf 78“ erschienen ist. Mein Dank für die großartige Unterstützung bei den Recherchen gilt Dr. Gerd Ahlers, Elfriede Bergau, Horst Bergmeier, Hans Buchholz, Dieter Doege, Eva Imlau (†), Claus Janzen, Jutta Lamprecht, Karsten Lehl, Wolfgang Leuschner (†), Dr. Rainer Lotz, Theo Niemeyer, Karl-Heinz Nowak, Fred Ritter und Hans-Joachim Schröer. Herausgestellt sei ausdrücklich Heinrich Vogel, der mit den Tagebüchern Fried Walters unschätzbare Zeitdokumente zur Verfügung gestellt hat. Der Beitrag soll Olaf Meitzner (1913-2004) in dankbarer Erinnerung gewidmet sein.
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