Die ersten Langspielplatten - der lange Weg zur Vinyl LP

Die Erfindung der Langspielplatte

vollzog sich in Etappen. Es gab bereits 1928 eine "echte" LP! Heute ist dies fast vergessen, erst 1948 brachten Columbia und Victor in den USA dann die erste "Long Playing" Schallplatte aus Vinyl auf den Markt.


Um die verschiedenen Entwicklungsstufen besser trennen zu können, zunächst die Frage: Was ist denn eigentlich eine "LP". Für eine echte Langspielplatte, also dass was wir heute darunter verstehen, müssen ein paar Bedingungen erfüllt sein:

* 33 â…“ oder 45 Umdrehungen
* Microrille, also eine besonders hohe Rillendichte auf den Zentimeter
* Vinyl oder ein anderer, rauscharmer Kunststoff als Pressmaterial der Schallplatte

Einzelne Voraussetzungen waren bei verschiedenen Erfindungen immer mal wieder gegeben, selten trafen aber bis 1948 alle zusammen. Deswegen wird "offiziell" die Geburtsstunde der Langspielplatte mit 1948 angegeben, es gab aber schon lange zuvor lang spielende Schallplatten...

Edison und die vier Minuten

Nach der Erfindung des Phonographen (1877) und des Grammophon (1887) lag die Spielzeit von Walzen und Schallplatten bei ~ 1,5 bis 2 Minuten. "Mehr" passte auf die zunächst nur etwa 17 cm kleinen Schallplatten einfach nicht drauf. Man war aber ständig bemüht diese unbequem kurze Spielzeit zu erhöhen. Edison gelang dies, in dem er die Rillendichte bei seinen Walzen erhöhte. Auf einen Zentimeter brachte er nun fast doppelt so viele Rillen wie zuvor unter. Bei den 1908 eingeführten Amberol Walzen lag die Spielzeit dann schon bei gut vier Minuten. Mehr dazu unter Geschichte der Tonaufzeichnung



Ungewöhnliche Plattenformate

Um auch auf eine Spielzeit von vier Minuten zu kommen erhöhten die Plattenfirmen den Durchmesser der Schallplatten auf bis zu 30 cm. Dies galt noch als "übliches Plattenformat. Spezialserien wie die der Fonotipia hatten aber auch schon mal 35 cm Durchmesser (Mehr Infos dazu), Pathe hatte sogar Platten mit 50 cm Durchmesser im Programm!


Bei 120 - 130 Umdrehungen in der Minute spielten diese jedoch nicht länger, sondern lauter.

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Bereits 1903 stellte die Victor in den USA mit der "De Luxe Special" Serie ebenfalls ein recht ungewöhnliches Plattenformat vor. Diese hatten ebenfalls 35 cm Durchmesser, spielten bei 60 Umdrehungen aber ungefähr sieben Minuten.


Diese Riesenformate konnten sich jedoch nicht durchsetzen. Zu teuer, zu unhandlich, zu zerbrechlich. 1912 stellte Edison ebenfalls ein Plattenformat vor. Seine Diamond Disc, geschnitten in Tiefenschrift, brachte es bei 80 Umdrehungen auf eine Spielzeit von knapp fünf Minuten. Gepresst in Condensite (einem frühen Kunststoff = Bakelit) war dies damals die "am längsten spielende" Schallplatte auf dem regulären Markt in Amerika.

World Records - Kurioses in England



Quelle: Science Museum London Hier

Die Erfinder hinter "World Record" in England gingen 1922 einen ganz anderen Weg um die Spielzeit zu erhöhen. Ohne näher darauf einzugehen: Für eine gute akustische Wiedergabe bei Schellackplatten ist die hohe Umdrehungszahl nur in der Mitte, also gegen Ende der Schellackplatte notwendig. Dies machte man sich hier zunutze. Die Platte läuft am Anfang langsamer und wird gleichmäßig schneller. Dafür war aber ein spezielles Zusatzgerät am Grammophon notwendig. Immerhin erhöhte sich so die Spieldauer auf knapp zehn Minuten pro Plattenseite! Für damalige Verhältnisse tatsächlich eine Langspielplatte...



Natürlich funktionierte dies nur bei den Schallplatten von "World Record". Die Mechnik war anfällig und recht kompliziert zu bedienen. Dieses Langspielsystem floppte und verschwand schnell wieder vom Markt.

Und wieder Edison - mit seiner Langspielplatte

1926 brachte Thomas Edison seine "Long Playing Record" auf den Markt. Die 25 cm Platte hatte (bei noch 80 Umdrehungen) eine Spielzeit von 12 Minuten, die 30 cm Platte 20 Minuten pro Seite.



Erreicht wurde dies durch eine weitere Erhöhung der Rillendichte. Diese lag nun ähnlich wie bei den modernen LPs. Die Aufnahme und Wiedergabe geschah noch rein akustisch. Bei den Langspielplatten von Edison handelte es sich jedoch nicht um "neue" Aufnahmen, die Stücke wurden akustisch von regulären Diamond Discs umgeschnitten (überspielt).

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Mit seinen Tiefenschriftplatten hatte Edison eh nur noch einen geringen Marktanteil in den USA. Für seine Langspielplatten musste der Vorschub der Plattenphonographen angepasst werden, auch brauchte man einen anderen Tonabnehmer. Wenn das Gerät nicht absolut eben stand, "rutschte" der Saphir über die Rillen. Schon nach wenigen Ausgaben stellte Edison dieses System wieder ein.

1926 - der Film lernt Sprechen

1926 kamen in Amerika die ersten (erfolgreichen) Tonfilme in die Kinos. Der eigentliche Ton dazu kam jedoch noch von Schallplatte, entwickelt wurde das System "Vitaphone" von der Western Electric.


Diese Tonfilmplatten hatten einen Durchmesser von 40 cm, liefen aber bereits mit 33 ⅓ Umdrehungen. Pressmaterial war noch Schellack, auch die Rillenbreite war wie bei den üblichen Schellackplatten. Mit einer "Langspielplatte" hatte dieses kommerzielle System nur die Geschwindigkeit von 33 ⅓ Umdrehungen gemeinsam. Weitere Infos dazu

Die erste "echte" Langspielplatte 1928

kam wieder von Edison...
Ende 1927 stellte auch Edison auf das elektrische Aufnahmeverfahren um. Für seine Langspielplatten gab es dieses "Update" jedoch nie. Parallel wollte die Firma ins Radiogeschäft einsteigen. Die Idee: Fertig vorproduzierte Sendungen werden an die Rundfunkstationen verkauft. Es fehlte jedoch noch das passende Medium dafür. Dies wurde, auf experimenteller Basis, in den Labors der Firma Edison entwickelt. Leider kam es nie auf den Markt.

Die Techniker bei Edison schufen ein System, welches zurecht als "vollwertiges" Langspielsystem betrachtet werden kann: Feinere Rillen (Die Dichte lag zwischen den regulären Diamond Discs und den Long Playing Records), 30 Umdrehungen (!) in der Minute, elektrisch aufgenommen, Pressmaterial Condensite - ein früher Kunststoff. Die Spieldauer betrug gut 20 Minuten pro Plattenseite. Es wurde noch in Tiefenschrift geschnitten.

Um bei Versuchen an dem System nicht jedes mal Musiker engagieren zu müssen, nahmen die Techniker auch laufende Sendungen aus dem Rundfunk auf. So entstand im Mai 1928 diese Aufnahme. Man hört in dem Ausschnitt die Bluessängerin Martha Copeland. Die Radioübertragung fand vermutlich aus einem Club in Harlem/New York statt. Es handelt sich dabei auch um den ersten überlieferten "Live - Mitschnitt" einer Radiosendung!


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Größtes Problem waren Gleichlaufschwankungen bei der Aufnahme. Ende 1929 zog sich die Firma Edison komplett aus der Phono-Branche zurück. Dies bedeutete auch das Ende für die erste Langspielplatte. Auch wenn dieses System nie auf den Markt kam, technisch wäre die LP Ende der 1920er Jahre möglich gewesen, wie diese Laboraufnahmen zeigen.

Flexible Grammophonplatten



Ende der 1920er und in den frühen 1930er Jahren stellten einige, meist kleinere, Firmen in Europa und Amerika sogenannte flexible Schallplatten her. Diese basierten auf frühen Kunststoffen oder mit Lack beschichtetem Papp- oder Metallkern. Durch geringfügige Erhöhung der Rillendichte waren Spielzeiten von knapp fünf Minuten möglich, so z. B. bei der Firma "Hit of the week" in den USA. Durchsetzen konnte sich keines dieser Formate, im Zuge der Weltwirtschaftskrise verschwanden diese Schallplatten alle wieder vom Markt.

1931 - RCA Victor und ihre LP

(Text & Tonbeispiel in diesem Absatz: Norman Bruderhofer)



1931 brachte RCA Victor ihre erste Version einer langspielenden Schellackplatte auf den US-amerikanischen Markt, zusammen mit einer Baureihe elektrisch spielender Musiktruhen mit Stahlnadel-Pickup. Zunächst bestand das Preßmaterial aus Schellack, später aus "Vitrolac" - einer Mischung aus Schellack und Vinyl. Für den Consumer-Markt waren diese Platten ein absolutes Novum, denn sie spielten 33 1/3 Umdrehungen in der Minute. Entsprechend konnten sie aber nur auf den neuen RCA Victor-Geräten auch widergegeben werden und verlangten darüber hinaus auch spezielle Nadeln mit kleinerer Verrundung. Eine 25cm-Plattenseite konnte so 10 Minuten unterbrechungsfreie Widergabe bieten.

Was grundsätzlich eine interessante Idee war, ließ sich technisch leider alles andere als zufriedenstellend lösen. Klanglich waren die Platten den herkömmlichen 78ern deutlich unterlegen. Und weil die angebotenen Wechsler die Platten noch nicht umdrehen konnten entschied man sich sinniger weise alle regulären langspielenden Schallplatten nur einseitig zu pressen. Lediglich diese erste Demonstrationsplatte ist beidseitig gepreßt und belegt, daß es dafür kein technisches Hindernis gab.



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So reduzierte sich die Gesamtspielzeit auf 10 statt 20 Minuten, verglichen mit einer beidseitigen regulären Schallplatte mit 6 Minuten war das nicht wirklich sehr beeindruckend. Der wirtschaftliche Mißerfolg war also vorprogrammiert, auch deshalb, da das gesamte Land am Beginn der schweren Depression war und kaum jemand das Geld für ein neues, langspielendes Grammophon aufzubringen vermochte. 1933 wurde die Produktion eingestellt. Weitere Infos dazu

Stille...

Nach diesem gescheiterten Versuch von RCA Victor mit einer Langspielplatte, welcher auch finanziell ein Fiasko war, tat sich nun viele Jahre gar nichts mehr in der Entwicklung von Langspielplatten. Manche Firma erhöhte in den dreißiger und vierziger Jahren den Anteil von Vinyl in den Mischungen für die Grammophonplatten. Für den Kunden tat sich jedoch bis Ende der 1940er Jahre nichts mehr in Richtung LP.

Einzig für die amerikanischen Soldaten gab es eine kleine Änderung. Die sog. V - Discs zur Truppenbetreuung wurden wegen der Bruchgefahr nicht mehr aus Schellack, sondern aus Vinyl hergestellt. Sie liefen aber ganz regulär mit 78 Umdrehungen, auch hatten sie die breite "Normalrille". Mehr Infos dazu. Auch für den amerikanischen Rundfunk gab es vorproduzierte Sendungen, die in Schallplatten aus Vinyl gepresst wurden. Teilweise liefen diese Rundfunkplatten mit 33 ⅓ Umdrehungen und beinhalteten bis zu einer halben Stunde Musik.

1939 meldete die Telefunken ein Patent auf eine "lang spielende" Schallplatte an. Diese bestand aus dem üblichen Plattenmaterial und lief bei 78 Umdrehungen. Die Stege zwischen den Rillen waren schmäler, die Rillendichte erhöht. Auf eine 30 cm Platte sollten ~ 8 bis 10 Minuten Musik passen. Auf den Markt kam dieses Format nie.

1948 - Die LP ist (endlich) da!



Am 21. Juni 1948 stellte Columbia ihre "Long Playing Microgroove Record", die LP vor. Entwickelt von Peter Carl Goldmark war dies dann die erste 25 cm Schallplatte mit Mikrorillen, 33 â…“ Umdrehungen und gepresst aus Vinyl. 1949 folgte RCA Victor mit einem "Gegenmodell", den Singles: 17,5 cm und 45 Umdrehungen. Betrachtet man sich aber die ganze Entwicklung, wurde lediglich bereits bekanntes (oder schon einmal da gewesenes) zur letztendlichen Marktreife gebracht.

1950 - Es wird voller mit der Füllschrift

Mit dem Füllschriftverfahren nach Eduard Rhein konnte die Spieldauer nochmals erhöht werden. Dies wurde auch bei den späten Schellackplatten mit 78 Umdrehungen genutzt.

Sammlung Odeon89

Bei "Normalplatten", also 78 Umdrehungen, war nun eine Spielzeit von bis zu 9 Minuten je Seite möglich. In Verbindung mit den neuen LPs ergaben sich nun echte Langspielplatten.

In Westdeutschland wurde die Produktion von Schellackplatten 1958 eingestellt, in der DDR 1961. Die Langspielplatte hatte, nach einer sehr zähen Geburt, dann doch gewonnen...

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