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Schallplattenkauf in schweren Jahren
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Moderatoren:SchellackFreak, berauscht, GrammophonTeam, Charleston1966, DGAG, Der_Designer, LoopingLoui
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Gast
Fr Jun 24 2011, 12:33 Druck Ansicht
Gast
Hallo Musikfreunde,

hier seht Ihr einen populären Schlager aus dem Jahre 1943.
Er entstammt dem Film "Ein Mann mit Grundsätzen" mit Hans Söhnker, Lisa Lesco




Orchester Michael Jary machte diese Aufnahme im September 1943, Horst Winter singt

Aber eigentlich möchte ich Euch etwas zu dem Verkaufsaufkleber der Platte berichten.

TELEVOX war eine Firma von Herrn Otto Klung, Berlin.

Bereits in den 20er Jahren gründete er mit einem Partner die Schallplattenfirma " VOX ".

Nach ganz guten Verkaufserfolgen dieser Plattenmarke überlebte sie aber die Wirtschaftskrise 1929 nicht.

Der Mitinhaber von Klung stieg aus und Klung sicherte sich die Namensrechte an VOX und TELEVOX gleich nach der Pleite.

Das alte Firmenzeichen taucht erst Ende der 30er Jahre wieder auf, als Otto Klung einen Platten+Musikalienladen in zentraler Lage in der Neuen Königstr (Alexanderplatz) eröffnete.

Es folgte eine Filiale in der Tauentzienstr.5

In den Verkaufsräumen fand sich ein kleines Tonstudio, wo private Aufnahmen auf Folie gemacht werden konnte oder bei Mindestabnahme von 200 Stück auch richtig auf Schellack gepresst wurde. (Letzteres als Lohnpressung)

Kurzfrsitig wurde auch ein eigenes TELEVOX-Etikett wiederbelebt mit ausgesuchten, guten Aufnahmen.

Der Hauptladen am Alexanderplatz wurde relativ früh Opfer des Bombenkrieges.

Jedoch der Laden in der Tauentzienstr blieb erstaunlicherweise vom Krieg unberührt - wenngleich in direkter Nachbarschaft schlimmste Schäden entstanden.

So konnte man in diesem Laden fast durchgängig Schallplatten kaufen.
Die zentrale Lage mit wenigen Schritten vom U-Bahnhof Wittenbergplatz war sicher verkaufsfürdernd. (Der U-Bahnverkehr in Berlin wurde erst am 23.4.45 kurzzeitg ganz eingestellt)

Dieser Televoxladen schloß 1953, nachdem das KA DE WE (Kaufhaus des Westens) wiedereröffnete und Klung eine zu große Konkurrenz durch den auf der anderen Straßenseite liegenden Kaufhausriesen zu spüren bekam.

Nun noch zu "TEMPO"

Tempoplatten gab es seit Anfang der 30er Jahre, Firmenchef Otto Stahmann hatte großen Erfolg mit dieser Billigmarke.
Sie kostete nur 1 RM und war anfangs nur in Kaufhäusern zu haben.

Etwa Mitte der 30er Jahre erbaute er ein eigenes Schallplattenwerk mit Studios in Potsdam Babelsberg.

Spätestens seit 1940 gab es die nun Lila/Gold Etiketten überall zu kaufen, ja, sie entwickelten sich sogar zu den wohl am meistverkauften Schallplatten während der Kriegszeit.

Das lag nicht nur am Preis, sondern auch daran, daß Stahmann viele bekannte Künstler gewann, Bernhard Ette, Horst Winter, Harry van Dyke, Kurt Widmann etc.

Und er hatte ein eigenes Vertriebssystem für seine Platten - und es funktionierte bis zum letzten Tag !

Das Werk in Babelsberg wurde zwar leicht durch Bomben geschädigt, doch konnte die Produktion etwas reduziert weitergehen.

Der niedrige Preis der Tempoplatten brachte es mit sich, daß sie materialbedingt und presstechnisch nicht immer optimal sind.

Wenn man aber Glück hat, bekommt man auch tadellose Exemplare.

Ein solches möchte ich Euch vorstellen.
Die Platte ist vom 8. November 1944 !

Sie wurde noch ganz normal in Potsdam zum Weihnachtsgeschäft 1944 verkauft. Auch wenn es nach Aussage des Käufers wohl das bedrückenste Weihnachtsfest des letzten Jahrhunderts war....




Der auf dem Etikett genannte Film wurde übrigens nicht mehr vollendet.

Nochmal zu den Tempowerken: Otto Stahmann brachte vor Einmarsch der Russen viele Matrizen und Pressmaterial in Sicherheit und setzte sich letztlich nach München ab.(Dort machte er bis in die 60er Jahre weiter)
Amiga benutzte noch bis ca. 1949 viele Pressmatrizen der Kriegsjahre, die im Werk verblieben waren.


Hier nun die "späteste" Platte, die ich besitze. Nach Unterlagen der Grammophon wurde sie im Januar 1945 in Berlin aufgenommen.
Ich bekam diese Platte von einer alten Dame, die bei der Grammophon in Hannover beschäftigt war.

Das Werk in Hannover (Podbielskistr) war weitgehend unbeschädigt und presste in der Zeit für Berlin.

Die Matrize gelangte also noch nach Hannover und es wurde ein Muster gepresst. Da die Platte keine Bestellnummer mehr erhalten hat, gehe ich davon aus, daß sie nicht mehr für den kommerziellen Handel vorgesehen war.

Fritz Stamer (Pianist) spielt mit kleiner Besetzung "In der Nacht ist der Mensch nicht gern alleine" aus dem Marika Rökk Farbfilm "Frau meiner Träume" (1944)




Hier noch als Nachtrag ein Blick vom Wittenbergplatz (U-Bahnhof) in die Tauentzienstraße von 1943, also kurz vor den schweren Bombenschäden.

Im Hintergrund die noch unzerstörte Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche.



links das Kaufhaus des Westens, rechte Straßenseite der Televox-Laden



[ Bearbeitet Mi Apr 04 2012, 11:17 ]
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Odeon89
Fr Jun 24 2011, 14:14
⇒ Mitglied seit ⇐: Di Mär 22 2011, 12:19
Beiträge: 338
Sehr interessanter Beitrag zur Geschichte der Schallplatten im "Totalen Krieg", vielen Dank!

Wirklich bemerkenswert, wie man noch 1944/45 Platten aufnehmen und pressen konnte! Wenn ich mich richtig erinnere, war dies gegen Ende des ersten Weltkrieges nicht oder nur noch sehr eingeschränkt möglich. 1918 wurden bei praktisch keiner Firma in Deutschland Aufnahmen gemacht... Daran sieht man im Vergleich sicher auch die Bedeutung, die der Unterhaltungsmusik während des Zweiten Weltkrieges beigemessen wurde.

Ist an dem "Gerücht" von eingeschmolzenen, bzw. recycelten Platten zu Kriegszeiten eigentlich etwas Wahres dran? Mir ist des öfteren aufgefallen, dass Pressungen von "Siemens-Polydor" um 1943 den Stempel "Depositato" im Spiegel aufweisen. Das Material dieser Platten ist auch deutlich körniger als das von Nachkriegspressungen. Hat dieses "Depositato" eventuell etwas mit dem Recycling zu tun?

Viele Grüße
Kai

[ Bearbeitet Mi Apr 04 2012, 11:18 ]
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Gast
Fr Jun 24 2011, 14:30
Gast
Hallo Kai,

Schellack mußte über England aus Indien importiert/ gekauft werden.

Ab 1941 mußten zwei Altplatten bei Neukauf einer neuen abgegeben werden.
Oder die Schallplatte kostete 0,50 RM mehr, wenn man keine Platten abgeben konnte.

Anfangs wurde das Etikett aus den Altplatten ausgestanzt, weil Papier in der Pressmasse die Qualität sehr verschlechtert.

Einen negativen Höhepunkt erreichte die immer schlechter werdene Pressmaterialqualität dann in den unmittelbaren Nachkriegsjahren.

"Depositato" heißt auf italienisch einfach nur "eingetragen, eingereicht, hinterlegt" und war früher ein internationaler Begriff in der Handels+Geschäftssprache. Ich gehe mal davon aus, daß es jeweils das Datum der Aufnahme betrifft.

Jedenfalls habe ich eindeutig dieses "Depositato" auch auf späten Kriegspressungen und es deckt sich mit Angaben des Aufnahmedatums aus Diskographien.

Gruß, Nils

[ Bearbeitet Mi Apr 04 2012, 11:19 ]
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Calle
Fr Jun 24 2011, 20:58
⇒ Mitglied seit ⇐: Mo Apr 18 2011, 10:57
Wohnort: Emmerich am Rhein
Beiträge: 292
Interessantes Thema !
Die Tempo-Platte ist indertat gut und leider auch ziemlich selten; auch ich wußte nicht daß es noch so spät im Krieg in Deutschland Schellackplatten gepreßt worden- und verkauft worden sind !
Vom (kleines Orchester) Fritz Stamer habe ich eine dunkelrote Polydor-Pressung... Polydor 47940: Ich warte auf dich / Mach dir nichts daraus; aus dem gleichen Tonfilm !
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Gast
Sa Jun 25 2011, 06:33
Gast
Hallo Calle,

Deine Platte ist aus derselben Sitzung, also auch viel später, als Diskograph Lange angibt ("ca. Ende 43"). Deine Kopplung taucht manchmal noch auf, bisher allerdings immer auf dem alten Polydor-Export Label ("Trichterohren-Münnchen").

Diskograph Lange hatte leider in der Sammelgemeinde festgesetzt, daß ab Ende 1943 in Deutschland weder Platten aufgenommen noch hergestellt wurden. Das hält sich hartnäckig, ist aber so pauschal einfach falsch.

Eigentlich liefert Lange in seiner Diskographie selbst den Gegenbeweis. Von der ODEON lagen glücklicherweise noch viele Unterlagen vor, deswegen datiert er späte Kriegsaufnahmen mit Kary Barnet auch ganz korrekt auf 1944 etc.
Herr Horst H. Lange war ein netter Mann und ich hatte in seinen späten Jahren wegen einer Arbeit öfter telefonischen Kontakt zu ihm. Er, wie auch Berthold Leimbach haben für uns Sammler unwiederbringliche Informationen gesammelt und das unter großen Mühen und auch finanziellem Einsatz.

Es ist leicht, mit heutigen, weiterführenden Erkenntnissen auf Mängel oder gar Fehler hinzuweisen. Wir sollten aber nie die enorme Leistung vergessen, die trotz einiger Mängel im Vordergrund stehen sollte.

Ich habe das große Glück, noch einen lebendigen Zeitzeugen zu haben, dessen Hobby Schallplatten waren und der sich viele Platten in den Jahren 1932 - 1945 kaufte. Die Platten existieren zum Glück größtenteils bis heute.

Für mich persönlich konnte ich sehr viele belegbare Informationen beziehen, gerade auch, was angeblich "alles verboten" war. Langsam verbreitet sich zum Glück das Wissen allgemein, daß sehr viel weniger verboten war, als manch einer glauben mag. Das ist aber ein anderes Thema.

In den späten Kriegsjahren lief die Produktion natürlich eingeschränkt. Aber Telefunken ließ in Tschechien bei der Ultraphon pressen. Telefunken selbst gibt zum Beispiel eine Produktion von über 50.000 Platten für den September 1944 an. Wenige Neuaufnahmen, aber immerhin!

Wenn man 1944 Platten kaufen wollte, war es folgendermaßen (meinem Zeitzeugen sei DanK!) : der Einzelhändler bekam monatlich eine Auswahl an Platten. Gezielte Bestellungen waren nach eigenen Recherchen so etwa ab Ende 43 nicht mehr möglich.

Man mußte sich als Käufer also aus dieser vom Großhändler zusammengestellten Auswahl etwas aussuchen.

Offensichtlich war aber auch mal eine Platte darunter, die eigentlich nur für den Export vorgesehen war. Dem Einzelhändler war das ziemlich egal, der war am Verkauf interessiert !
So kam es zustande, daß diese Platte etwa zum Jahreswechsel 1943/44 ganz regulär in Potsdam verkauft wurde :




Weiterhin zeigt uns die Platte, wo Odeon presste, als es immer enger wurde und zuletzt in Deutschland nur noch kriegswichtige Dinge hergestellt werden sollten. Man beachte das "P" rechts in der Mitte ! Lange gibt dieses "P" mit Paris an.
Das Land ist korrekt, aber das P steht für Pappkern. Diese Information war wichtig, weil diese Platten nicht in die Altplatten geraten sollten, der große Papieranteil im Kern hätte die Recycling-Pressmasse in der Qualität enorm verschlechtert !


[ Bearbeitet Mi Apr 04 2012, 11:23 ]
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snookerbee
Sa Jun 25 2011, 13:43
"Urgestein"

⇒ Mitglied seit ⇐: Fr Apr 15 2011, 20:12
Beiträge: 1685
Hallo Nils, deine Beiträge in diesem Thread sind sehr interessant. Vor allem weil Du ja noch mit Zeitzeugen gesprochen hast. Als ich in den 1970er die Möglichkeit dazu gehabt hätte, war Schellack-Musik einfach noch nicht mein Thema. Deshalb bin ich hauptsächlich auf Publikationen angewiesen und eben auf solche Beiträge wie eben Deiner hier. Eine Zeitschrift, die sich mit der Schellack-Zeit beschäftigt, ist ja bekanntlich "Fox auf 78". Die haben sicher einige Forumsfreunde hier auch abonniert. Dennoch will ich mal kurz zusammenfassen, was in Heft 25 über die sogenannten "Trümmertakes", also Plattenaufnahmen um das Kriegsende herum zu lesen ist.

letzte Odeon-Tanzmusikplatte: 6.3.1944, Adolf Steimel & Kay Barnet, Best.-Nr. 31730, verkauft noch vor Kriegsende

letzte Odeon-Aufnahme vor Kriegsende: 1.12.1944 Werner Eisbrenner & Hans Albers, Best.-Nr. 26625, verkauft erst nach Kriegsende

letzte Berliner Telefunken-Aufnahmen vor Kriegsende: Januar 1944, Peter Kreuder, mx. 27090 bis 27097, Veröffentlichung zu Kriegszeit fraglich (außer mx 27090 auf TA 1093, Prag)

letzte Telefunken-Aufnahmen in Prag: 20.10.1944, Heinz Wehner, Veröffentlichung ?

letzte Aufnahmen bei Columbia: Mitte Ende 1943, Willi Stanke, erst nach dem Krieg verkauft

letzte Tanzmusik-Platte bei Electrola: März 1943, Heinz Burzynski, mx. ORA 6026 & 6027, verkauft 1943

letzte Aufnahmen bei Grammophon: 26.2.1945, Fritz Stahmer, mx. 10411 bis 10414, erst nach dem Krieg veröffentlicht.

letzte Imperial-Aufnahmen: etwa November 1943, Corny Ostermann, mx. KC 29876 und 29877, erst nach dem Krieg veröffentlicht

letzte Phonoton-Platte die veröffentlicht wurde: Aufnahme wahrscheinlich 1944 in Prag(?), Christa Tordy, Best.-Nr. 1043

letzte Clangor-Platte: Willi Metschke & Erwin Hartung, Aufnahme 1943 vor Hartungs Einberufung, Best.-Nr. 1944

letzte Aufnahmen bei Tempo: 3.12. & 4.12.1944, Horst Winter, mx. 1950 bis 1953, Best.-Nr. Tp 5163/64

[ Bearbeitet Mi Apr 04 2012, 11:25 ]
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Gast
Sa Jun 25 2011, 14:51
Gast
Hallo Claus,

vielen Dank für den Nachtrag !

Ja, Dr. Krüger (Fox auf 78) ist wirklich ein guter Mann :-D

Odeon verzeichnet nach neueren Erkenntnissen übrigens noch eine letzte Aufnahme am 13.1.1945, Herbert Ernst Groh mit O.Dobrindt.

Bei dem masssivsten Luftangriff auf die Berliner Innenstadt am 3.2.45 war auch die Lindström stark betroffen.

Der von Dir erwähnte Telefunkentitel mit Wehner :
27179 In der Nacht ist der Mensch nicht gern...
27180 Ich warte auf Dich

Aufgenommen am 20.10.44 , Bestellnr. A 10564.

Auch ist im Aufnahmeverzeichnis noch eine spätere Aufnahme als jene von Kreuder zu finden:

Orch.Dvorsky, Allan-Terzett (deutscher Gesang)
27177 Laß Dein Herz bei mir zurück
27178 Wenn die Woche keinen Sonntag hätt'

Bestellnr. A 10558, Aufnahme 15.8.44

Ob diese Titel noch vereinzelt in den Handel gelangten ist fraglich, Du erwähnst es ja bereits !

Gruß, Nils

[ Bearbeitet Mi Apr 04 2012, 11:26 ]
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Calle
Sa Jun 25 2011, 23:25
⇒ Mitglied seit ⇐: Mo Apr 18 2011, 10:57
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Beiträge: 292
Hallo Nils,

vielen Dank für Deine Informationen ! Ich war zuerst auch davon überzeugt daß es (laut Lange) bis Ende 1943 Schellackplatten in Deutschland hergestellt wurden...
Es stimmt was Du schreibst: Lange und Leimbach habe eine Menge gute Arbeit geleistet. Indertat mit einige kleine Fehlern, jedoch... darüber soll man nicht meckern (man soll es mal nachmachen !; meckern ist ja so einfach ! :-( )

Anläßlich die Aufnahme von R.A. Dvorsky: Telefunken A 10558: die ist noch herausgebracht worden (auf grauer Telefunken)... Die Aufnahme "Wenn die Woche keinen Sonntag hätt'" ist früher auch mal bei "Swingtanzen verboten" im Radio gespielt worden UND auch ist sie (und "Laß Dein Herz bei mir zurück") auch auf CD veröffentlicht worden !
Es singt überigens das Allan-Terzett...

Bezüglich dieser Platte... einen Traumwunsch von mir !
Dieses Jahr fahren wir wieder in die Tschechei in Urlaub und ich hoffe es klappt diesmal ;-)
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Odeon89
Sa Jun 25 2011, 23:46
⇒ Mitglied seit ⇐: Di Mär 22 2011, 12:19
Beiträge: 338
Hallo Calle,

handelt es sich bei den Telefunken-Platten mit grauem Etikett nicht stets um Nachkriegspressungen?

Gruß
Kai
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Gast
So Jun 26 2011, 07:32
Gast
Hallo Calle, hallo Kai,

es gab bei Telefunken in der ganz späten Kriegszeit ( eher gegen Ende 1944) noch graue Etiketten. Sie sehen den späten Nachpressungen von ca. 1948 ähnlich. Blaue Schrift auf lichtem Grau.
Wichtig: keine Vermerke wie Militärregierung oder Censure, Lizenz etc ! Kein Vermerk "Die deutsche Weltmarke". Gepresst in Tschechien.
Leider habe ich kein Bildbeispiel.

Ein Beispiel für eine blaue tschechische Pressung ist hier:




Die Platte wurde bei Televox, Tauentzienstr etwa in der zweiten Jahreshälfte 1944 gekauft.

Die Aufnahme entstand Ende 1942, firmiert in den Neuerscheinungen bei Telefunken im Januar 43.
Diese Kleindin-Platte kann als Musterbeispiel für die späten Kriegsschallplatten gelten.
Sie wurde das ganze Jahr 1943 hindurch verkauft, dann ging die Matrize sogar noch zur Ultraphon nach Tschechien (1944) und wurde scheinbar noch das ganze Jahr 44 hindurch verkauft. Sie gibt es nachweislich sogar noch auf dem ganz späten, grauen Kriegsetikett.

Typisch für diese Zeit ist wohl, daß die Firmen schon viel mehr auf vorhandene Matrizenbestände zurückgriffen, als Neuaufnahmen auszuwerfen.

Nach den Aussagen des Zeitzeugen war es dementsprechend auch über Monate hinweg so, daß in den monatlichen Auswahlsendungen des Großhändlers dieselben Titel der einzelnen Firmen zu finden waren. Der Zeitzeuge kaufte in den Jahren 43/44 eigentlich nur noch bei Televox, weil er oft beruflich in der Nähe war und in seiner Heimatstadt Potsdam im Musikhaus Görz. Dort war er über 10 Jahre als guter Kunde bekannt und es wurden ihm auch neue Aufnahmen zurückgelegt, wenn sich sowas in der Monatslieferung des Großhändlers befand.

Zurück zu der tschechischen Pressung und dem Bildbeispiel.
Man erkennt deutlich das leicht andersartige Erscheinungsbild dieser Fremdpressungen bei Telefunken.
Es fehlt die "Deutsche Weltmarke", der Telefunkenschriftzug ist deutlich schlanker im Druck und auch die Umrahmungen unterscheiden sich.
Der Golddruck ist wieder besser lesbar, als bei den späten Telefunken aus Hannover (Pressung: Deutsche Grammophon).

(Zuletzt ließ auch Grammophon in Tschechien pressen, aber nicht bei Ultraphon)

Gruß, Nils

PS:
Calle,ich gönne Dir den Fund Deiner Wunschplatte, wenn ich da auch etwas skeptisch bin^^
Aber insgesamt freut es mich, daß es hier auch so viele Interessierte für die Platten aus den Kriegsjahren gibt!
20er bis Anfang 30er etwa ist meist viel leichter zu finden, als die hier im Beitrag besprochenen Platten.



[ Bearbeitet Mi Apr 04 2012, 11:38 ]
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Gast
So Jun 26 2011, 08:03
Gast
Nach kurzer Bedenkzeit will ich doch noch was loswerden zu den grauen Telefunken Kriegspressungen...

ich persönlich habe bislang noch keine solche graue Kriegspressung gefunden, wo ich mit absoluter Sicherheit sagen konnte: ja, die ist vor Zusammenbruch des Reiches gepresst.

Ich verlasse mich hier auf Aussagen von versierten Sammlern ! Und sie wissen es wohl besser als ich !

Meine persönlichen Zweifel will ich aber gern kundtun: diese grauen Kriegspressungen sind im Druck durch absolut nichts zu unterscheiden von einer Nachpressung von -sagen wir mal- 1948.
Es fehlt einzig der Vermerk "Censure, Visa, Lizenz" usw

Nun gab es aber sehr unterschiedliche Nachpressungen in den Jahren 46-49.
Für die Besatzungsmächte (Casinos, Radioübertragungen), auch schon wieder für den Export und sicher auch für mir bislang völlig unbekannte Verwendungen.

Und ich kann eben nicht meine Hand ins Feuer legen, daß auf jeder Art der Nachpressungen das "Censure" nötig war.
Dadurch werden die grauen, angeblichen Kriegspressungen dann aber durch nichts mehr unterscheidbar von späteren Nachpressungen.

Vielleicht wurden auch Nachpressungen gefertigt, auf denen das "Censure" nur mit (hier fehlendem) Aufkleber ersichtlich gemacht wurde ?

Und und und...

Vielleicht kann mir ja jemand mit einem eindeutigen Beweis mein ganz leises, stilles Mißtrauen nehmen ? ;-)

[ Bearbeitet Mi Apr 04 2012, 11:30 ]
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Odeon89
So Jun 26 2011, 21:48
⇒ Mitglied seit ⇐: Di Mär 22 2011, 12:19
Beiträge: 338
Bezüglich der "Tempo"-Platten habe ich noch eine Frage: Handelt es sich bei der zuerst gezeigten Platte um eine Nachkriegspressung? Das Etikett unterscheidet sich farblich deutlich von der zweiten Platte (defintiv eine Pressung während des Kriegs):





[ Bearbeitet Mi Apr 04 2012, 11:30 ]
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snookerbee
So Jun 26 2011, 22:35
"Urgestein"

⇒ Mitglied seit ⇐: Fr Apr 15 2011, 20:12
Beiträge: 1685
Interessant ist erstmal, daß auf der zweiten Platte Matrizennummer und Bestellnummer verwechselt wurden. Das sieht man deutlich, wenn man den Zahlenbereich der Nummern auf beiden Platten vergleicht.

mx. 1837 soll nach meinen Unterlagen etwa März/April 1942 aufgenommmen worden sein. Allerdings bezweifele ich dieses Datum, da die mir vorliegende Diskografie von Lange abgeschrieben hat.

Die zweite Platte hat nach der Verwechselung also Matrizennummer mx. 1947 und entstand somit kurz vor Horst Winters letzten Tempo-Aufnahmen im Dezember 1944 (mx. 1950 bis 1953).

Ich glaube, daß die Label-Farben bei Tempo in den 1940er Jahren zur Veröffentlichungs-Datierung ungeeignet sind und keinen zeitlichen Bezug haben. Ich denke auch, daß beide Platten noch im Krieg herauskamen. Die zweite wohl aber wirklich recht spät. Vielleicht wurden Reste von Tempo-Pressungen ja noch nach Kriegsende gehandelt. Die Frage bleibt trotzdem, wer noch zum Jahreswechsel 1944/45 die Möglichkeit hatte, Schallplatten zu verteilen und zu verkaufen.

Ich glaube zu erinnern, daß Tempo als Firma nach dem Krieg erst wieder auf 45rpm-Singles veröffentlichte, allerdings bin ich nicht sicher. Die Otto-Stahmann-Werke, die die Tempo-Schellacks in den 1940ern produzierten, waren ja mit Kriegsende in die Hände der russischen Besatzer gefallen und alte Tempo-Matrizen wurden ab 1946 unter einem andern Label (AMIGA Lied der Zeit GmbH) wiederveröffentlicht, bis diese neue Firma eigene Aufnahmen machen konnte.

[ Bearbeitet Mi Apr 04 2012, 11:31 ]
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Richard Herfeld
So Jun 26 2011, 22:53
⇒ Mitglied seit ⇐: Fr Okt 02 2009, 00:57
Beiträge: 40
Na, na, na Claus ...
Natürlich gibt es Tempo Schellackplatten aus den späten 40ern / frühen 50er Jahren. Allerdings fast alles No-Name Produktionen, anders als in Kriegstagen (hatte gerade heute auf dem Flohmarkt eine Reihe Tempo-Platten um 1947 - 1952 in der Hand).

Das mit den Farben kann ich auch bestätigen - die haben nichts mit dem Pressdatum zu tun und beide Platten auf jeden Fall noch aus Kriegstagen.

Tempo veröffentlichte auch kurz nach Kriegesende neue Platten mit alten Matrizen (Tempo Elite - Serie bzw. Tempo mit weißem Label).

[ Bearbeitet Mi Apr 04 2012, 11:32 ]
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snookerbee
So Jun 26 2011, 23:01
"Urgestein"

⇒ Mitglied seit ⇐: Fr Apr 15 2011, 20:12
Beiträge: 1685
@ records78: Gut, daß Du aufpasst! Solche Elite-Platten habe ich auch, konnte sie bisher aber nicht zuordnen. Dann sind diese Platten aber sicher nicht mehr in Potsdam hergestellt worden.

[ Bearbeitet Mi Apr 04 2012, 11:32 ]
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Calle
So Jun 26 2011, 23:17
⇒ Mitglied seit ⇐: Mo Apr 18 2011, 10:57
Wohnort: Emmerich am Rhein
Beiträge: 292
Hallo Nils !

Ja, ich bin absolut sicher daß es sich um einen grauen Telefunken handelt: ich müßte mal nachsehen aber wenn ich mich recht erinnere habe ich sogar einen Bild davon im Begleitheft der CD ! (also: Bild folgt :-)
Da ich auch fest davon überzeugt bin daß die Platte in der Tschechei gepreßt worden ist, denke ich daß zu diesem Zeitpunkt nur sehr, sehr wenige Platten nach Deutschland gelangt sind (bedenke, Anfang November 1944: die Russen standen bereits vor Budapest und fast im Garten meiner Opa und Oma in Ost-Preußen !)
Eigenlich kenne ich auch nur 2 Exemplare die existieren: eine in der Tschechei und eine war in der Sammlung von Herrn X (Name ist mir entgangen), der damals die Sendung "Schellackschätzchen" präsentierte...
Schade eigentlich, denn es sind so schöne Aufnahmen...

Anläßlich Tempo-Platten bzw. Etiketten: es kann auch sein daß die Platte sauber gemacht worden ist bzw. naß geworden ist... Die Farbe wird schnell heller oder sogar dunkler wenn man unvorsichtigerweise das Etikett beim saubermachen mitnimmt...


[ Bearbeitet Mo Jun 27 2011, 10:11 ]
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Gast
Mo Jun 27 2011, 09:54
Gast
Erstmal vielen Dank für Eure Fragen und Hinweise !

Ja, die violetten Tempo sind natürlich Pressungen aus der Zeit vor 1945.

Tempo kostete ja nur 1 RM, das merkt man leider manchmal auch am Druck der Etiketten: Fehler, wildeste Kopplungen, zwei Bestellnummern auf einer Platte, Falschetikettierungen.

Ich habe das Glück, viele Tempos aus erster Hand in erfreulichem Zustand zu haben.




Nachpressungen von Tempo erkennt man leicht. Sie sind auf Weiß/ Schwarzer Druck, auf Schwarz/Weißer Druck und auf Hellbraun/Weißer Druck und tragen immer den Vermerk "Elite".

Wo genau diese Pressungen entstanden ist noch unklar. Mit Sicherheit kommen einige aus Ehrenfriedersdorf (Sachsen), dorthin hatte Tempo einige Pressen schon in den Kriegsjahren verlegt. (Dort wurden auch alle die frühen Amigas gepresst)

Vor etwa 15 Jahren hatte ich ein sehr interessantes Gespräch mit einer äteren Dame, die bei Tempo im Büro beschäftigt war.
Sie bestätigte die Arbeit des Werkes bis zum Jahresende 1944 und berichtete plastisch, welche großen Schwierigkeiten es gab. Benzin war extrem rationiert. Lehrmädchen lieferten in den letzten Monaten per Fahrrad und S-Bahn im Umland. Die Briefpost funktionierte zwar nahezu durchgängig über das Kriegsende hinaus, aber mit der Paketpost/Fracht wurde es zuletzt fast unmöglich Lieferungen an Händler zu senden und oft waren die Einzeländler über Nacht durch die Bomben wegrasiert.

Die Angestellten hofften sehr, es möge zunächst nur eine Betriebspause sein. Sie erwähnte auch, daß Stahmann senior ein netter, geschäftstüchtiger Mann war, aber sein Sohn ein "Nichtsnutz" (Originalton) war.
Wie es dann alles kam, ist im Internet hier und da zu lesen: Der Senior flüchtete regelrecht vor den Russen (samt etwas Material aus der Firma) und sein Sohn gab sich gegenüber den Russen erfolglos mit dürftigen Geschichten als der neue Besitzer des Werks aus.

Tempo hatte sich in den Kriegsjahren zu einer gut verkauften Marke gemausert und hatte nach unbestätigten Aussagen in diesen Jahren immerhin einen Verkaufsanteil von 15%.

Das Rezept mit unschlagbarem Preis (1 RM) und aus dem Radio bekannten Künstlern und Titeln ging auf.

Ein großer Erfolg war es sicherlich, daß Tempo dann auch nicht mehr nur in Kaufhäusern erhältlich war, sondern durchaus auch in bekannten Plattenläden.











An weiteren Informationen und Geschichten zu "Tempo" bin ich jederzeit interessiert !

Vielleicht bekommen wir zusammen auch mal eine Matrizennummern-Aufstellung mit verbürgten Aufnahmedaten hin ! Das, was Lange angibt ist leider unbrauchbar.

Gruß, Nils

[ Bearbeitet Mi Apr 04 2012, 11:36 ]
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Calle
Mo Jun 27 2011, 10:18
⇒ Mitglied seit ⇐: Mo Apr 18 2011, 10:57
Wohnort: Emmerich am Rhein
Beiträge: 292
Vielleicht bekommen wir zusammen auch mal eine Matrizennummern-Aufstellung mit verbürgten Aufnahmedaten hin ! Das, was Lange angibt ist leider unbrauchbar.


Können wir gerne machen ! Tempo hat indertat tolle Aufnahmen herausgebracht: z.B. die gezeigte Platte "Fräulein Madeleine" ist absolut hot (und das für 1 RM !) und auch die Aufnahme "Sie will nicht Blumen und nicht Schokolade" usw. sind klasse !

Überigens... Nils: hast Du alle Deine Platten in Plastikhüllen ? Ich habe da nämlich schlechte Erfahrungen gemacht daß mir da mal einige Platten zerbrochen sind weil die Plastikhüllen so glatt sind bzw. einfach verrutschen...
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Gast
Mo Jun 27 2011, 10:36
Gast
Hallo Calle,

ja, ich habe mich zu diesen PVC-Hüllen entschlossen, weil mir die alten Originalhüllen einfach zu sehr leiden, wenn sie im Regal stehen und man was sucht.

Aber natürlich hast Du recht, sie rutschen aufeinander wie mit Seife geschmiert ! Man muß sehr aufpaasen :-D

Ok. wir können ja erstmal zusammentragen, was an gesicherten Aufnahmedaten vorliegt. So ein Verzeichnis mit Matr.Nr hat den Vorteil, daß es für alle Interpreten und Orchester auf Tempo anwendbar wäre, also durchaus praktischer ist, als eine reine Horst Winter Zusammenstellung.

Fräulein Madeleine ist wirklich klasse ^^ Ich mag auch Winters Instrumentalversion von " Bim Bam" sehr gerne, fast eine meiner liebsten Platten. Na, bei Winter wird man aber kaum fertig, wenn man alle schönen Titel nennen möchte. Ich kenne keine Tempo mit Winter, die es nicht zu sammeln lohnen würde.

[ Bearbeitet Mi Apr 04 2012, 11:39 ]
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