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Die ersten Grammophonplatten 1889 wieder hörbar!
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GrammophonTeam
Do Jul 05 2012, 22:18 Druck Ansicht
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Vor kurzem machte ein Mitarbeiter der Indiana University, Patrick Feaster eine der ersten Grammophonaufnahmen Emil Berliners vom November 1889 wieder hörbar.
Das besondere - Die Platte selber existiert wohl nicht mehr, Patrick Feaster nutzte eine photographische Abbildung der Platte aus einem deutschen Magazin von 1890!




Die Angaben und Bilder stammen von der Indiana University, bzw. diesen beiden Webseiten: IU News Room Link - Hier klicken, Media Preservation Initiative at Indiana University Link - Hier klicken

Patrick Feaster betreibt noch eine private Webseite die sich sehr der sehr frühen Tonaufzeichnung widmet, für englischkundige allemal einen Besuch wert Phonozoic Link - Hier klicken.


Genauso wie die frühesten Tonexperimente Edisons aus den 1870er, frühen 1880er Jahren gelten die ersten Schallaufzeichnungen Emil Berliners auf einer Grammophonplatte ebenfalls als verschollen.

in einem Bibliotheksbestand in den USA fand sich in einer Ausgabe des deutschen Magazins Über Land und Meer vom Februar 1890 ein Artikel über das junge Grammophon - zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine käuflichen Grammophonplatten!

Berliner arbeitete zu diesem Zeitpunkt noch mit einem photographischen System um seine Platten zu vervielfältigen. Die Vorlagen der Platte waren quasi Photoplatten die nach einem Lithographischen Verfahren gefertigt wurden.

Der Artikel aus Über Land und Meer beinhaltet die photographische Wiedergabe einer frühen Berliner Aufnahme - gedruckt auf Papier.




Der Artikel gibt sogar eine Anleitung wieder, wie man diese bildliche Wiedergabe aus dem Magazin zu Gehör bringen kann, sinngemäß:

Man lasse sich mittels eines Lichtdruckverfahrens eine gravierte Platte der Abbildung fertigen. Diese sei bei gleichmäßigen 50upm in Rotation zu halten.
Nun halte man einen längeren Baumbusspieß mit den Zähnen fest umschlossen.
Das angespitzte Ende des Spießes wird leicht mit dem Finger in die sich rotierende Rille der Platte gehalten - Schon höre man die eingravierten Worte.
Diese seien um so besser zu hören, wenn man sich die Ohren mit einem Tuche verbinde!


Patrick Feaster ging einen anderen Weg um diese frühe Grammophonplatte wieder zum Leben zu erwecken...
Das Bild wurde hochauflösend eingescannt, anschließend wurde in einem Bildbearbeitungsprogramm die Rilleninformation abgewickelt, so das die Rillenflanken als ein langes Band als digitale Bildinformation vorlag.

Diese wurde zunächst weiter in einem Bildbearbeitungsprogramm "gereinigt", um sie anschließend als Toninformation mittels des Computers um zurechnen:





Hier nun also die älteste, hörbare Grammophonaufnahme vom November 1889.
Emil Berliner persönlich rezitiert Schillers Der Handschuh

Emil Berliner 1889 DER HANDSCHUH

.


Es ist sinnvoll, will man das Gehörte auch halbwegs verstehen, dazu den Text vor Augen zu haben - aus diesem Grunde wurde den ersten Platten auch häufig ein Textzettel beigelegt!


Vor seinem Löwengarten,
Das Kampfspiel zu erwarten,
Saß König Franz,
Und um ihn die Großen der Krone,
Und rings auf dem Balkone,
Die Damen in schönem Kranz.
Und wie er winkt mit dem Finger,
Auftut sich der weite Zwinger,
Und hinein mit bedächtigem Schritt
Ein Löwe tritt
Und sieht sich stumm
Rings um,
Mit langem Gähnen
Und schüttelt die Mähnen
Und streckt die Glieder
Und legt sich nieder.

Und der König winkt wieder,
Da öffnet sich behend
Ein zweites Tor,
Daraus rennt
Mit wildem Sprunge
Ein Tiger hervor.
Wie der den Löwen schaut,
Brüllt er laut,
Schlägt mit dem Schweif
Einen furchtbaren Reif
Und recket die Zunge,
Und im Kreise scheu
Umgeht er den Leu
Grimmig schnurrend;
Darauf streckt er sich murrend
Zur Seite nieder.

Und der König winkt wieder,
Da speit das doppelt geöffnete Haus
Zwei Leoparden auf einmal aus,
Die stürzen mit mutiger Kampfbegier
Auf das Tigertier;
Das packt sie mit seinen grimmigen Tatzen,
Und der Leu mit Gebrüll
Richtet sich auf, da wird’s still;
Und herum im Kreis,
Von Mordsucht heiß,
Lagern die greulichenKatzen.

Da fällt von des Altans Rand
Ein Handschuh von schöner Hand
Zwischen den Tiger und den Leun
Mitten hinein.

Und zu Ritter Delorges, spottender Weis,
Wendet sich Fräulein Kunigund:
"Herr Ritter, ist Eure Liebe so heiß,
Wie Ihr mir’s schwört zu jeder Stund,
Ei so hebt mir den Handschuh auf!"

Und der Ritter in schnellem Lauf
Steigt hinab in den furchtbaren Zwinger
Mit festem Schritte
Und aus der Ungeheuer Mitte
Nimmt er den Handschuh mit keckem Finger.

Und mit Erstaunen und mit Grauen
Sehens die Ritter und Edelfrauen,
Und gelassen bringt er den Handschuh zurück.
Da schallt ihm sein Lob aus jedem Munde,
Aber mit zärtlichem Liebesblick —
Er verheißt ihm sein nahes Glück —
Empfängt ihn Fräulein Kunigunde.
Und er wirft ihr den Handschuh ins Gesicht:
"Den Dank, Dame, begehr’ ich nicht!"
Und verlässt sie zur selben Stunde.


Vielleicht kann uns ein Mitglied der Seite noch etwas zu diesen frühen Aufnahmen, bzw. der Arbeit von Patrick Feaster erzählen ;) ?

[ Bearbeitet Mo Jun 25 2018, 19:16 ]
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GrammophonTeam
Sa Sep 08 2012, 20:21
Seitenbetreiber

⇒ Mitglied seit ⇐: So Sep 04 2011, 14:54
Wohnort: Köln
Beiträge: 1826
Übernahme aus diesem Eintrag: Link - Hier klicken

Von Starkton


Hier ist meine älteste Platte, die allerdings nur noch als Druck existiert, von dem ich allerdings ein "Original" habe. Emile Berliner spricht selbst darauf. Es handelt sich um eine frühe Trickaufnahme, gemacht am 14. Dezember 1889 für Vorführungen Anfang Januar 1890 in Berlin. Ich habe diesen Druck vor über zwanzig Jahren in einer Fachzeitschrift von Januar 1890 entdeckt. Aufgrund der guten Abbildungsqualität machte ich mir sofort Gedanken wie man die Platte wieder hörbar machen könnte. Leider gab es damals noch kein bekanntes Verfahren.

Patrick Feaster aus den USA hat dann aufgrund meiner Anregung vor ein paar Jahren für diese Platte eine Technik entwickelt mit dem man einen Papierdruck hörbar machen kann. Es war irre spannend die Platte, und damit Berliners Stimme, zum ersten Mal nach 120 Jahren wieder zu hören. Das Zinkoriginal selbst ist leider verschollen und wurde damals sicherlich zusammen mit anderen Druckplatten von der Druckerei zum Altmetall gegeben.

Berliner dreht im zweiten Teil der Aufnahme (Buchstaben von A bis Z) die Kurbel des Aufnahmegrammophons immer schneller. Beim Abspielen mit gleichmäßiger Geschwindigkeit von 50 Umdrehungen pro Minute, siehe "R 50" auf dem Label, spricht er den ersten Teil, das heißt die Zahlen, noch ganz normal, wird dann aber immer langsamer, bis er bald gar nicht mehr verständlich ist.

Kein Wunder dass Emile Berliner die Platte anschließend für Werbezwecke geopfert hat. Das Original aus Zink mit eingeätzter Schallrille wurde dabei, wie schon oben erwähnt, als Druckplatte für eine Abbildung verwendet.

Ihr könnt die Platte, die ich zur besseren Lesbarkeit spiegelverkehrt abgebildet habe, hier mit verschiedenen Abspielgeschwindigkeiten anhören: Link - Hier klicken

(Bzw. jetzt auch hier)




.


snookerbee:
@Starkton: Habe ich das richtig verstanden? Von dieser Matrize wurde galvanisch eine Druckplatte hergestellt? Wurde die Aufnahme eigentlich auch in Schellack gepresst? Tolle Sache jedenfalls, wenn man bedenkt, wie das wieder hörbar gemacht wurde. Vielen Dank für den interessanten Beitrag.

Grüße
Claus

Starkton:
Nein, die Zinkschallplatte selbst war die Druckplatte. Die Abbildung in der Zeitschrift die ich euch zeigte ist ein so genannter "Negativdruck". Den hat Patrick für mich hörbar gemacht.

Da die Platte wie ich schrieb - und wie ihr auch hören konntet - nicht gelungen war, wurde davon keine Pressmatrize galvanisch hergestellt.

Die ersten kommerziellen Pressungen dieser im Durchmesser nur etwa 12 Zentimeter kleinen Berliner Platten wurden übrigens mit Hilfe der Pressmatrizen nicht auf Schellackmasse sondern auf Zelluloid und, etwas später, Hartgummi gemacht.




Starkton hat in Zusammenarbeit mit Patrick Feaster ebenfalls diesen Druck einer Zinkplatte vom 11. November 1889 wieder zum Leben erstehen lassen.

Der Druck fand sich in der Library of Congress in Emil Berliners Scrapbooks (Sammelalben). Dieser Druck wurde auch mittels moderner Computertechnik bearbeitet um die photographische Information in Toninformationen umzusetzen.

Es spricht Louis Rosenthal in Hannover, November 1889





.


Wenn auf obige Platte zur Volldarstellung geklickt wird, lassen sich sogar die Rillenauslenkungen erkennen.

Diese hier vorgestellten Aufnahmen gehören auch zu dem Eintrag "Aufnahmen im deutschsprachigem Raum bis 1905 Link - Hier klicken "

[ Bearbeitet So Jun 24 2018, 19:17 ]
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Starkton
Sa Jul 26 2014, 13:03
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Okt 05 2011, 21:47
Wohnort: Berlin
Beiträge: 1881
Hier ist eine Transkription der Berliner/Rosenthal-Platte (Quelle: E. Berliner's Grammophon, The Beginning of the German Talking Machine Industry, Part 2, in: The Sound Box, Vol. 28, No. 3, Victorville, Ca., September 2010, S. 3-7)





PS: Mit "Falschpapier" meint Berliner sehr wahrscheinlich Pigmentpapier, wie es im Tiefdruck Verwendung fand: Link - Hier klicken

[ Bearbeitet So Jan 21 2018, 13:50 ]
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annamilena
Sa Jul 26 2014, 18:14
Gast
'Falschpapier' hätte ich jetzt nicht entziffert, vermutlich auch, weil mir das gar nichts sagt. (Man hört ja auch nicht nur mit dem Ohr...). Ist das denn ein gängiger Ausdruck um 1900 und wie kommt es zu der Annahme, dass das Pigmentpapier ist? Als Verfahren leuchtet das natürlich viel mehr ein.


[ Bearbeitet So Jan 21 2018, 13:54 ]
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Starkton
Sa Jul 26 2014, 19:42
⇒ Mitglied seit ⇐: Mi Okt 05 2011, 21:47
Wohnort: Berlin
Beiträge: 1881
annamilena schrieb ...

Und Du hast definitiv das bessere bzw. länger geübte Ohr. 'Falschpapier' hätte ich jetzt nicht entziffert, vermutlich auch, weil mir das gar nichts sagt. (Man hört ja auch nicht nur mit dem Ohr...). Ist das denn ein gängiger Ausdruck um 1900 und wie kommt es zu der Annahme, dass das Pigmentpapier ist? Als Verfahren leuchtet das natürlich viel mehr ein.

"Falschpapier" ist sehr ungewöhnlich. Zum Glück taucht das Wort zweimal in der Tonaufnahme auf. Berliner hatte sich seit 1887 mit Drucktechniken auseinander gesetzt, vor allem auch mit lichtempflindlich gemachter Gelatine. Dass er Pigmentpapier gemeint haben könnte ist meine Interpretation aus der Kenntnis seiner früheren Versuche. Die Bedeutung des Tiefdrucks von November 1889 liegt unter anderem darin, dass hier erstmals die zuvor nur von Rosenthal behauptete Zusammenarbeit mit Berliner nachgewiesen ist.

Leider sind die Unterlagen von Rosenthal, der Jude war, später von den Nazis zerstört worden. Berliner hat den Kontakt mit Rosenthal, dessen Arbeit von entscheidender Bedeutung für das erfolgreiche Pressen von Schallplatten war, nie öffentlich gemacht. Rosenthal sandte um 1890 zahlreiche Briefe an Berliner. Dieser bewahrte sie zumindest bis etwa 1900 auf. Leider tauchen sie nicht im Nachlass auf.

Kein Wunder, dass Du auf Salzpapier gekommen bist, denn die frühe Schallplattengeschichte hat viele Schnittmengen mit damaliger Fototechnik.



[ Bearbeitet So Jan 21 2018, 13:55 ]
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annamilena
So Jul 27 2014, 13:07
Gast
Starkton schrieb ...

Die Bedeutung des Tiefdrucks von November 1889 liegt unter anderem darin, dass hier erstmals die zuvor nur von Rosenthal behauptete Zusammenarbeit mit Berliner nachgewiesen ist.

Leider sind die Unterlagen von Rosenthal, der Jude war, später von den Nazis zerstört worden. Berliner hat den Kontakt mit Rosenthal, dessen Arbeit von entscheidender Bedeutung für das erfolgreiche Pressen von Schallplatten war, nie öffentlich gemacht. Rosenthal sandte um 1890 zahlreiche Briefe an Berliner. Dieser bewahrte sie zumindest bis etwa 1900 auf. Leider tauchen sie nicht im Nachlass auf.


Das wusste ich nicht. Vielen Dank für die Information!
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