Eric Borchard und seine Jazzband...


Möglicherweise gibt es Überschneidungen mit den Bands von Fred Ross oder der Atlantik Four Jazz Band. Sowohl mit Ross, wie auch der "Atlantik Four" arbeitete Borchard 1923 in Wien zusammen. Auch nach seiner Rückkehr nach Berlin 1924 "kreuzten" sich immer wieder die Wege dieser Musiker.

14. Mai 1921 - Borchard führte zu diesem Zeitpunkt eine eigene Kapelle!



In einer Zusammenstellung von H.Bergmeier und R.E.Lotz in "Fox auf 78" Nr. 25 wird Eric Borchard mit seinem Orchester als Mitwirkender in drei Stummfilmen bis 1922 erwähnt:

1921 Dr. Mabuse, der Spieler (Regie: Fritz Lang)
1921 Kinder der Finsternis (Regie: unbekannt?)
1922 Der Fürst von Madagascar (Regie: André Dupont)


Aus dem Film Dr. Mabuse die beiden Szenen mit der Borchard Kapelle
Weitere Informationen:

Im September 1921 hatte Leo Falls Operette Die Straßensängerin in Berlin Premiere. Der dritte Akt enthält einen längeren, mit "Jazz" überschriebenen Teil. Hier schweigt das Orchester und auf der Bühne spielt eine "Jazzband", bestehend aus Klavier, Banjo, Schlagzeug und Klarinette. Der Artist schrieb dazu: es wirke dabei ...."ein ganz ausgezeichneter humoristischer Kapellmeister mit." Eine Anzeige einige Wochen später in der B.Z. am Mittag verriet auch den Namen: Eric Borchard. (*1)

Möglicherweise kam es bereits in Berlin 1921/22 zu einer gelegentlichen Zusammenarbeit von Borchard und Fred Ross. Auch wenn sich hierfür bis dato noch keine Dokumente fanden, kreuzten sich die nächsten Jahre immer wieder die Wege der beiden frühen "Jazzer".

Borchard spielte mindestens bis Januar 1922 im Metropol-Theater, wie Anzeigen belegen. Weitere Annoncen: Eric Borchard im September 1922 im Palais Heinroth, im Barock-Palais (November) und im Dezember wieder im Scala-Casino. Möglicherweise wurde er hier vertragsbrüchig. Am 15. Dezember wird er noch in Berlin beworben, am gleichen Tag jedoch auch in einer anderen Stadt: Wien!


Borchard in Wien (1922 - 1923)


Borchards Biographen bereitete das Jahr 1923 und sein Verschwinden aus Berlin länger Kopfzerbrechen. Daraus wurde u.a. ein Aufenthalt in den USA 1923 konstruiert. Dies trifft jedoch nicht zu. Borchard hielt sich das gesamte Jahr 1923 in Wien auf...



Sammlung Horst Lange


Die Inflationszeit und ihre Folgen in Deutschland 1922/23 veranlasste einige Musiker, Berlin zu verlassen und das (wirtschaftlich) deutlich sicherer Wien zu bereisen. Fred Ross spielte bereits einige Wochen nach Borchard in der Stadt, es folgten im Laufe des Jahres 1923 noch Künstler wie Rose Petösy oder auch die Diamond Kings Jazz Band, "zuletzt Mercedes-Palast, Berlin", von Robert Gaden.

Erstmals wird Borchard im Dezember 1922 im Moulin Rouge mit seinen "5 Syncopated Kings" beworben.
15. Dezember 1922
(*1)


Bald danach waren es nur noch "4 Kings", ab Februar 1923 "Jazz Band!! Eric Borchard!!". Am 1. März wirkte er bei der Opernakademie-Redoute (Ball) mit, was ihm auch eine kurze Erwähnung im Ballbericht eintrug. Ende April 1923 verließ Borchard das Moulin Rouge - ihm folgte die Band von Fred Ross. Borchard wechselte ins Parisien wo er im Mai und Juni 1923 mit den "Spiegel Brothers" und dem Banjospieler "Charles Morton" zusammenarbeitete. Morton war eigentlich Franzose und hieß Lucien Minart. Die Spiegel Brüder waren der Klavierspieler Morris (auch Murray, 1892 - 1972), der Geiger Carl (auch Charles, 1897 - 1985) und der wie seine Brüder in New York geborene, aber in Deutschland aufgewachsene Albert Spiegel (1899 - 1978). (*1)

Im August 1923 spielte Borchard dann zusammen mit Fred Ross im Parisien. Hier traten sie nicht mit zwei getrennten, sondern einer gemeinsamen Band auf ("Eric Borchard - Fred Ross, Original amerikanische Jazz-Band" 24.8.1923).

Anzeigen aus Wien mit Borchard
Weitere Informationen:


Atlantic Jazz-Band

Ab September 1923 spielte ebenfalls in Wien die "Chicagoer Atlantic Jazz-Band" welche für die weitere Karriere von Borchard noch recht wichtig werden sollte. Obwohl (mal wieder) von der Leitung in der Weihburgbar als "Original aus Amerika" beworben, bildete den Kern dieser Band der 1902 in Kiew geborene Geiger Salomon Dykstein (Sascha Dickstein), der Pianist Walter Lindemann und der Schlagzeuger Erich Giese. Alle drei kamen aus der Gruppe der im Frühjahr 1921 in Berlin aktiven Musiker um Borchard und Ross. Im März 1922 wurden sie in Berlin als "The Original Atlantic Jazz-Band" inseriert. Ab Mai 1923 hielt sich Borchards Jugendfreund, der Banjospieler Hans Sawage, ebenfalls in Wien auf. (*1)


Ende September verließ Borchard die Band mit Fred Ross im Parisien. Nach kurzen Engagements trat er noch vor Silvester 1923/24 wieder mit einer eigenen Band in der Weihburgbar auf - vermutlich handelte es sich hier um die Atlantic Jazz-Band unter seiner Führung. Am 9. Januar 1924 wurde Borchard noch in der Weihburgbar beworben, dann verschwand er plötzlich aus Wien. Nicht ohne Grund...

Im Januar 1924 titelte das Wiener Magazin die Stunde: "Die Flucht der Jazz-Band Erik Borchard".
Borchard hatte am 9. September 1923 (laut Zeugen schuldlos) in Wien eine Frau überfahren, welche an den Verletzungen verstarb. Nachdem er einer Vorladung nicht nach kam, wurde er kurzfristig verhaftet, jedoch auf Kaution wieder entlassen. Mit seiner "Flucht" nach Berlin verfiel nicht nur die Kaution, Borchard entzog sich vermutlich schlicht einem Prozess in Wien. Es folgte (aus Berlin) noch eine Stellungsnahme Borchards dazu in der B.Z. am Mittag vom 21. Januar 1924. Die "Sache" verlief aber wohl einfach im Sande...


Zurück in Berlin - 1924


Sowohl die Musiker der "Atlantic Jazz-Band" (nun Borchards Kapelle), wie auch mindestens einer der "Spiegel Brüder" Murray erreichten im Januar 1924 Berlin. Zusammen mit Murray Spiegel trat Borchard u.a. auch bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung im Hotel Adlon auf.

April 1924

Bereits im März 1924 trat die Band am Nelson-Theater auf.
Berliner Tageblatt


Es folgte nun die vermutlich erfolgreichste Zeit Borchards in Berlin. Bis c. 1927 war er Teil des "Berliner Nachtlebens", Lokale rissen sich um ihn, auch die Schallplattenindustrie meldete sich zurück.

1925


Festes Engagement fand Borchard mit seiner Atlantic Jazz-Band im noblen Mercedes-Palast.

Anzeige, Mai 1924


Auch die Deutsche Grammophon meldete sich wieder bei ihm. Beginnend im Frühjahr 1924 folgte eine rege Aufnahmetätigkeit, welche bis ca. Mai 1925 dauerte. In dieser Zeit entstanden nicht nur etwa 150 Aufnahmen, Borchard wurde von seiner Plattenfirma auch massiv beworben.



Ab Herbst 1924 spielte er dann auch in der Barberina.
Berliner Tageblatt, September 1924

Wer das entsprechende Geld hatte, konnte sich auf einer Kreuzfahrt im Januar 1925 an Bord auch von der Borchard Kapelle unterhalten lassen:

Berliner Tageblatt, Dezember 1924


Zurück von diesem "Ausflug" bis hin zu den Kanarischen Inseln nahm der Musiker auch an großen Bällen teil.

BT, 2.1925

Erweitert um einige Streicher lieferte Borchard im April 1925 auch die Musik zu dem Stummfilm "Ein Sommernachtstraum" (A Midsummer Night's Dream). Die moderne Verfilmung dieses Werkes von William Shakespeare wurde auch in den USA von der Zeitschrift Variety im Mai 1925 besprochen. Besondere Erwähnung fand das Orchester:

Almost the best part of the evening is the music arranged and composed for the film by Hans May and played by Eric Borchard´s American jazz band, strengthened by a few string instruments. It marks a real advance in scores for accompanying comedy pictures. At one moment Wagner is being seriously interpretd and the next the latest from "Tin Pan Alley." Often the music secured an outright laugh and applause for itself alone. And how the boys did play it, the classical as well as the bluesest of the blue. When they got hot they just tore the roof off the joint.

Besprechung in der Variety im Abdruck
Weitere Informationen:



Borchard versuchte all die Jahre über die besten Jazzmusiker für seine Band zu verpflichten. Auch "durchbrach" er eine in den USA der Zeit geltende Regel, denn immer wieder spielten in seinem Orchester und auf der Bühne Europäer neben Afroamerikanern. Wer wissen will, wer genau zu welchen Zeitpunkt in Borchards Band mitwirkte (nicht nur bei den Aufnahmen sondern auch auf der Bühne inklusive einer detaillierten Auflistung der Spielstätten), dem sei die Publikation Eric Borchard Story (Jazzfreund-Publikation, 1988) von Rainer Lotz & Horst Bergmeier empfohlen. Hierin finden sich auch alle discographischen Angaben zu den Aufnahmen Borchards.

Ende Teil 2
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