Efim Schachmeister - KÖNIG DER TANZGEIGER auf Grammophon

Efim Schachmeister
eigentlich Chaim Chaissowsky
(* 22. Juli 1894 in Kiew; † 6. Oktober 1944 in Buenos Aires)



Violinvirtuose und Kapellmeister
in Deutschland 1910 - 1933


1927

Sammlung SchellackFreak


EFIM SCHACHMEISTER - DER KÖNIG ALLER TANZGEIGER

Ein König unter den Tanzgeigern - unerreicht in seiner Kunst! Durch die faszinierende Art seines Spiels hat Schachmeister es verstanden, die Aufmerksamkeit aller am Tanzsport interessierten Kreise auf sich zu lenken. Was er spielt ist immer originell, überraschend durch sinnliche Finessen, voll Charme und Leidenschaft und erfüllt von exotischen Reizen.

Noch kaum jemals hat ein Mann am Dirigentenpult aus seinem Orchester herausgeholt, was Efim Schachmeister ohne irgendwelche Anstrengung an Rhythmus und Klängen hervorlockt. Ein selten gesehenes Verständnis seines großartigen Ensembles, das sich individuell von Mann zu Mann spinnt, und ganz gegenseitig ist, befähigt ihn zu hunderten von Nuancen. Und so liegt denn auch in sogar seinem Jazz etwas mehr als wilder Synkopen-Rhythmus. In seinem Spiel liegt etwas wie immer-währendes Erinnern an seine slawische Abstammung, wie die Sehnsucht nach seiner ukrainischen Heimat..
(Zeitgenössische Kritiken)


"Ich bin in Berlin zu dem geworden, was ich jetzt bin, fühle mich mit Berlin auf das Engste verwachsen, habe meine Mutter hier in deutscher Erde liegen, denke nicht daran, jemals nach Russland zurückzukehren oder mich sonst in einem fremdem Lande niederzulassen..." .
Efim Schachmeister


Efim wurde am 22.Juli.1894 in Kiew (damals Russland) geboren. Seine Eltern waren jüdischen Glaubens. Die Familie stammte ursprünglich aus Rumänien. Der Vater Schevel Chaissowsky (* 15.08.1874 in Kiew) war Kaufmann in Kiew, verheiratet mit Anna Chaissowsky, geborene Reichmann. Das Ehepaar hatte vier Kinder: Efim, Augustine, Anna und Leo. Leo Schachmeister spielte in den ersten Orchestern seines Bruders Klavier.

Neben dem Besuch des Gymnasiums, erhielt Efim ab etwa acht Jahren Geigenunterricht am Kaiserlichen Konservatorium in Kiew. Nach eigenen Aussagen trat er erstmals im Alter von zwölf Jahren öffentlich auf. 1910 zog die Familie nach Berlin. Hier setzte Chaim Chaissowsky seine Studien am berühmten Stern‘schen Konservatorium weiter fort. Sowohl Vor-, wie auch Nachname wurden der Deutschen Sprache "angepasst". Aus Chaim wurde nun Efim, Chaissowsky zunächst zu Schechmeister. Mit diesem Namen finden wir den Geiger dann auch in den Absolventen-Listen des Stern‘schen Konservatorium:

Schechmeister (Chaissowsky), Efim
Studienbeginn: 01.09.1910
Violine (bei Alexander Fiedemann)
Quellen:
Jahresberichte 1910 - 1913


Der Vater Schevel Schechmeister hatte als Graveur eine Fabrik in Berlin-Schöneberg, zeitweise nach dem Weltkrieg auch eine Tabakfabrik (nach dem Adressbuch Berlins).

1913



1919 ist Schevel noch als Schechmeister geführt:


Ein Jahr später 1920, wird der Name auf den uns bekannten Schachmeister geändert:



Frühe Jahre...


1933 feiert Efim Schachmeister im Exil in Luxemburg sein 20-jähriges Jubiläum als Dirigent, bzw. Orchesterleiter. Ein Zeitungsartikel nennt uns dann auch seinen ersten Auftrittsort. Direkt nach dem Ende seines Studiums, leitet Efim Schachmeister ein 12-Mann starken Konzert-Orchester im "Cafe Kronprinz" in Berlin. Seine Premiere als Kapellmeister hat er hier am 16. November 1913. Anzeigen zu diesen Auftritten fanden sich noch nicht, eine etwas frühere Annonce vom September 1912 zeigt jedoch - Im Café Kronprinz legte man Wert auf gute Musik...

Luxemburg, 16. November 1933


Es folgten in den nächsten Jahren weitere Engagements in Cafes und Tanzlokalen in und um Berlin. Ob Schachmeister tatsächlich um 1915 mit einer "Zigeuner-Kapelle Popescu gespielt (und diese 1923 angeblich Übernahm) ist sehr fraglich. Diese Information geht auf Horst Lange zurück, der bekannt für seine "Ungenauigkeiten" in Biographien ist. Tatsächlich fand sich auch nach langer Suche kein einziger Beleg, Anzeige oder sonstiges, dass im Berlin vor 1920 ein Orchester mit diesem Namen überhaupt gespielt hat, bzw. existierte. Möglicherweise hängt dies auch mit der (mittlerweile überholten) "Geschichte" zusammen, Schachmeister sei rumänischer Zigeuner gewesen...

Tatsächlich findet man 1918 wieder ein Orchester Schachmeister in den Anzeigen. Der Lesart nach unter eigener Führung. Zwar fehlt hier der uns vertraute Vorname Efim, die Seltenheit des Namens in Berlin lässt aber nur eine Vermutung zu: Hier tritt im Dezember 1918 "Efim Schachmeister" im Lieban-Cabarett auf.
2.12.1918

Im gleichen Jahr (1918) reiste Efim Schachmeister in seine Geburtsstadt Kiew und heiratet Rosa Nodelmann. Spätestens in den zwanziger Jahren lebt seine Frau auch in Berlin. Wenn auch selten im Berliner Adressbuch geführt (Efim Schachmeister beantragte erst 1930 die Deutsche Staatsangehörigkeit), lebte er mit seiner Frau in Berlin/Schöneberg, Hauptstraße Nr. 69

Adresseintrag 1927 (und Vater Schevel)



Schallplatten...


Die Deutsche Grammophon mit ihrer Untermarke Polyphon setzte bereits seit 1919 Augenmerk auf "moderne Tanzmusik". Bis ins Jahr 1921 war der maßgebliche Orchesterleiter bei Polyphon der Kapellmeister "Max" Tauber vom Admiralspalast. Möglicherweise (Belege fanden sich noch nicht) spielte das Orchester Schachmeister 1921 im Metropol-Theater. Jedenfalls soll er schon 1921 von der Grammophon "entdeckt" worden sein. Möglich dass Efim Schachmeister ab diesem Jahr immer wieder das Hausorchester der Grammophon bei Aufnahmesitzungen leitete. Veröffentlichungen (auf Polyphon) unter Tanzorchester oder Tanzorchester Metropol ab Ende 1921, Anfang 1922 könnten unter seiner Regie entstanden sein.

Zur genaueren Datierung von Schachmeisters ersten Aufnahmen bei der Polyphon/Grammophon auch dieser interessante Eintrag im FORUM

Unter eigenem Namen, beginnend ab 1923, nahm Efim Schachmeister für Deutsche Grammophon und Polyphon auf. Mit großem Werbeaufwand vermarktete die Grammophon Schachmeister als König der Tanzgeiger - quasi das Gegenstück zum auf Lindström immer populärer werdenden Studioorchester von Dajos Bela.

In diesem Katalog von 1924/25 sind noch Schachmeisters erste Aufnahmen unter eigenem Namen geführt. Zum Beispiel dass berühmte Yes, we have no bananas...



c. Oktober/November 1923


Wie schon die Reklame zeigt, mindestens seit Dezember 1922 spielte das Orchester Schachmeister im Pavillion Mascaotte (Siehe Palais de Danse ). Eine Anzeige vom Mai 1924 der Grammophon nennt diesen Auftrittsort nicht mehr!


27.1.1924



Werbung für Efim Schachmeister und die Grammophon-Spezialhaus G.m.b.H., Mai 1924


Im Herbst 1924 dann in der Barberina. Bald danach muss sein langes Engagement im Excelsior Hotel begonnen haben.
2.11.1924


Am I to blame (Warum zürnen?)

ca. Oktober 1924
Sammlung snookerbee


Beginnend ab April 1925 spielte Efim Schachmeister mehrere Jahre im Hotel Exelsior in Berlin. Neben seinen vielen Aufnahmen für die Grammophon sicherte ihm dieses Engagement regelmäßige Einnahmen. Er wurde immer mehr Teil der "verrückten zwanziger Jahre" im Berlin der Weimarer Republik.

Das Schachmeister Orchester im (Tanz) Cafe des Hotel Exelsior




Dort konnte Schachmeister gediegen...

c. Juni 1925


Oder auch recht Amerikanisch...

He`s the hottest man in town

c. Mai 1925
Sammlung SchellackFreak




Die Jahre 1925 bis 1928 dürften die glücklichsten, zumindest die produktivsten in der Karriere von Efim Schachmeister gewesen sein. Er hatte in Berlin seine Familie um sich, eine Festanstellung in einem der besten Hotels des europäischen Festland, Schallplatten wurden fast im Wochentakt produziert. Neben seiner festen Besetzung aus Auftritten, erweiterte Schachmeister sein Orchester immer wieder bei Plattenaufnahmen um amerikanische oder englische Musiker.

Neben den üblichen "Tagesschlagern" finden sich unter den Aufnahmen aber auch immer wieder eine Vielzahl an "Jazzigen" Aufnahmen aus dem amerikanischen Bereich, wie z.B. der legendäre "St. Louis Blues" oder auch "Stampede".

1927

Sammlung SchellackFreak


Nach 1928 lässt die Aufnahmetätigkeit Schachmeisters bei der Grammophon merklich nach. Neben einem sich langsam änderten Geschmack des Publikums, könnten auch zwei persönliche Ereignisse in Efim Schachmeisters Leben eine Rolle gespielt haben.


Efim Schachmeister, c. Ende 1927


Am 30. August 1928 stirbt seine Mutter Anna. Sie wird in Berlin beerdigt. Ebenfalls 1928 trennt sich das kinderlose Ehepaar Rosa und Efim Schachmeister. Efim überlässt seiner Frau (das Paar wird nicht offiziell geschieden) die gemeinsame (Eigentums?) Wohnung in Berlin-Schöneberg, Hauptstraße 69 und zieht zunächst zur Untermiete in die Innsbrucker Straße 55.

1932


Möglicherweise führte Rosa Schachmeister dann einen Putzsalon ( = in der damaligen Sprache eine Hutmacherei.) Eine Rosa Schachmeister emigriert in den späten 30er Jahren nach New York. Möglich - es handelt sich hierbei um Efim Schachmeisters erste Frau.

Zum Jahreswechsel 1929/30 lässt die Grammophon den Vertrag mit Schachmeister auslaufen. Es folgen nun nur noch vereinzelte Aufnahmen des Orchesters bis Ende 1932. Zunächst für die "neue" Ultraphon" (Hier entstehen unter Schachmeisters Namen vor allem Aufnahmen die am besten dem Genre "Salonmusik" zuzuordnen sind), dann ab 1932 für die Marke Pallas mit teils recht flotten Tanzaufnahmen.

Um diese Zeit lebt Efim Schachmeister wieder mit seinem Vater Schevel Schachmeister in Berlin/Schöneberg, Hauptstraße 5 zusammen.
1930 beantragt Efim Schachmeister die Deutsche Staatsbürgerschaft. In seiner Begründung führt er unter anderem auf:

"Ich betätigte mich als Kapellmeister mit dem Erfolg, dass ich es vermochte, in
verhältnismäßig kurzer Zeit eine geachtete Stellung in der Berliner Musikwelt einzunehmen und mir als Kapellmeister einen Namen zu machen, der auch den hohen Behörden nicht ganz unbekannt sein dürfte.
Ich bin in Berlin zu dem geworden, was ich jetzt bin, fühle mich mit Berlin auf das Engste verwachsen, habe meine Mutter hier in deutscher Erde liegen, denke nicht daran, jemals nach Russland zurückzukehren oder mich sonst in einem fremdem Lande niederzulassen..."



Flucht...


Ob diesem Einbürgerungsgesuch von 1930 stattgegeben wurde ist nicht bekannt. Spätestens mit der Machtergreifung des Nationalsozialistischem Regimes unter Hitler im Januar 1933 war die Karriere eines Rumänisch-Stämmigen, Russischen Juden im "neuen Deutschland" beendet.

Zusammen mit seinem Vater Schevel und seinen Geschwistern emigriert Efim Schachmeister zunächst nach Belgien. Während der Bruder Leo mit seiner Frau in Brüssel blieb, wanderte Efim mit seiner Familie im Frühjahr 1933 über Holland nach Luxemburg aus.

Somit finden sich die ersten "musikalischen" Spuren von Efim Schachmeister auch wieder in Luxemburg und Holland.

Luxemburg - 26. Mai 1933
Neben der sehr guten, musikalischen Kritik "amüsiert" man sich in Luxemburg auch über Hitler und seinen "Rassenwahn": Hätte man Schachmeister als Juden nicht aus Deutschland "raus geschmissen", wäre das Publikum in Luxemburg nicht in den Genuss dieses Orchesters gekommenen...



Mai 1933



Am 17. Juni 1933 hatte die (Exil) Revue Der Chauffeur meiner Frau von (und mit) Willy Rosen Premiere in Amsterdam. Efim Schachmeister leitete das Orchester.






Die anschließende Tournee mit Willy Rosen durch Holland verlief jedoch nicht sehr erfolgreich. Ab 1. Oktober 1933 spielte Schachmeister mit seinem Tanzorchester wieder im "Pole Nord" in Luxemburg. Hier löste er das Orchester Paul von Beky ab.



Im März 1934 tritt Schachmeister mit seinem Orchester ein längeres Engagement im Hotel "Alfa" an. Im Sommer kommt es auch nochmal zu einem kurzen Treffen mit Willy Rosen.

21. März 1934


August 1934


Anfang 1935 löst Efim Schachmeister dann endgültig sein eigenes Orchester auf. Es beginnt nun die letzte Station seiner musikalischen Laufbahn. Im Badeort Mondorf-Etat(Luxemburg) übernimmt er ab Frühjahr 1935 die Leitung des Kurorchester.



Dieses leitet er - mit großem Erfolg - ohne Unterbrechung bis zum Ende der Badesaison 1937. Neben täglichen Konzerten in den Kuranlagen, ist er zusammen mit dem Kurorchester auch regelmäßig über den Radiosender Luxemburg zu hören. Gelegentlich finden sich in der Presse Stimmen, dass die Stelle des Orchesterleiters für einen Ausländer doch recht "gut" bezahlt sei, der Beliebtheit von Schachmeister in dem mondänen Badeort tut dies jedoch keinen Abbruch.

September 1937


Am 29. September 1937 findet das letzte Konzert unter seiner Leitung statt, dann verlieren sich die Spuren des Kapellmeisters in Luxemburg immer mehr. Im Januar 1938 liefert er noch die Musik zu einem Festbankett, auf der Titelseite einer Zeitung findet sich eine Karikatur von Schachmeister.






Möglicherweise spielte er noch einige Zeit im Hotel "Alfa", Anzeigen hierfür finden sich jedoch nicht mehr.

Am 21.10.1938 ist der Vater Schevel in Buenos Aires (Argentinien) mit dem Schiff "Lipari" angekommen und mit ihm sehr wahrscheinlich auch Efim.



Schachmeister versucht sich ein neues Leben in Argentinien aufzubauen, er heiratet 1939 Rachelle Süsskind. Versuche an seine Karriere als Musiker anzuknüpfen verlaufen jedoch im Sand. Mit gerade einmal 51 Jahren verstirbt er am 6. Oktober 1944 in Buenos Aires an Herzversagen.

Der Saxophonist Wolf Gradis (zusammen mit dem Orchester von Dajos Bela ebenfalls im Exil in Argentinien) führte später den frühen Tod Schachmeisters direkt auf Flucht und Exil zurück: Der Verlust der Heimat, das Klima, die erschwerten Arbeitsbedingungen, der ökonomische Druck ließen keine Ruhe zu. Schachmeister starb nach über 30 Jahren auf Konzertbühnen schlicht an Erschöpfung und gebrochenem Herzen.

Nur wenige Monate nach Efim verstarb am 29. März 1945 auch sein Vater Schevel Schachmeister. Beide sind auf dem israelitischen Friedhof in La Tablada bei Buenos Aires in Argentinien bestattet worden.

Im Juli 1951 reist seine zweite Frau, Raquel Schachmeister-Süsskind in die USA ein. Hier verliert sich jede Spur von ihr. Der Bruder Leo Schachmeister überlebt Dank der Hilfe seiner Frau den Holocaust in Europa. Nachkommen von Leo Schachmeister leben heute u.a. in den USA. Die beiden Schwestern Efim Schachmeisters blieben mit ihren Familien in Argentinien.

Am 29. März 2014 wurden zum Gedenken vor ihrer letzten Wohnadresse in Berlin-Schöneberg, Hauptstr. 5 zwei Stolpersteine verlegt.



Vielen Dank an Gabriella Spierer, der Großnichte von Efim Schachmeister, für Biographische Angaben.
Erstellt von Formiggini


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